Kathrin Ahäuser, wie sind Sie auf das Thema Antibabypille gestoßen?
Ich hatte durch Zufall im Spiegel einen Artikel gelesen über eine junge Frau, die den Pharmahersteller Bayer wegen der Nebenwirkungen der Pille verklagt hat, weil diese im Beipackzettel nicht hinreichend benannt wurden. Sie war an einer lebensgefährlichen Lungenembolie erkrankt. Dieser Artikel hat mich sehr aufgewühlt, nicht zuletzt, weil mir bewusst wurde, wie wenig man über die Antibabypille weiß – und trotzdem nehmen viele sie ganz selbstverständlich täglich als Verhütungsmittel ein, es ist ja auch eine sehr effektive Verhütungsmethode. Aber mit Sicherheit, so meine Überlegung, gibt es mehrere Frauen mit negativen Pillen-Erfahrungen. Das war für mich Anlass zur Recherche.
Sie leben als Fotografin in Dortmund und haben für das Multimediaprojekt pillepalle elf Kurzfilme gedreht, in denen Frauen verschiedenen Alters von ihren Erfahrungen mit der Antibabypille erzählen. Genauso kommen eine Frauenärztin und ein Frauenarzt zu Wort, eine Sexualpädagogin, ein Apotheker und ein Arzneimittelprüfer. Welche Vorteile der Pille werden in Ihren Interviews genannt?
Erst einmal die offensichtlichen: Nämlich dass die Pille ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, weil man weiß, dass man mit ihr weitgehend sicher verhütet. Beim Kondom ist man ja vielleicht etwas angespannter. Dann, das sagt die Psychologiestudentin Enya in meinen Interviews, fällt die Periode weniger stark aus, die Regelschmerzen sind nicht so ausgeprägt. Generell, das hört man immer wieder, wird die Haut möglicherweise klarer. Außerdem kann man mit der Pille, wenn man sie durchgehend einnimmt, seine Periode während des Urlaubs oder über längere Zeit aussetzen.
Und, so ein Frauenarzt, kann die Pille bei Endometriose helfen, einer Krankheit, bei der die Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter wächst.
Welche Nachteile werden genannt?
Ein Nachteil kann sein, dass der Körper Wasser einlagert. Wobei es einige Frauen auch ganz gut finden, zum Beispiel wenn es obenrum wächst. Aber natürlich lässt sich das nicht gezielt steuern, und an anderen Stellen wie dem Bauch ist es wieder unangenehm. Bei der genetischen Vorbelastung Faktor-V-Leiden, die nach der niederländischen Stadt Leiden benannt ist, erhöht sich das Thromboserisiko aufgrund der Vorbelastung noch stärker als durch die Pilleneinnahme allein. Das ist der Journalistin Babette passiert. Ob man von der Blutgerinnungsstörung betroffen ist lässt sich nur durch einen Gentest herausfinden. Aber der wird nicht standardmäßig durchgeführt, und so hat man bei Babette erst nach 15 Jahren festgestellt, dass sie die Antibabypille nicht hätte verschrieben bekommen dürfen. Da wurde mir klar, wie wichtig die Anamnese ist, das Arztgespräch zur Diagnostik, damit man überhaupt die Möglichkeit hat, Verdacht zu schöpfen. Ein weiterer Nachteil der Pille kann beispielsweise sein, dass man eine sogenannte Menstruationsmigräne entwickelt – Kopfschmerzen in der Zeit, in der man während der Regel eine Pause einlegt und das Medikament nicht einnimmt.
Was hat Sie noch überrascht?
Vielleicht fehlt für Nebenwirkungen wie Thrombose die Sensibilität. Bei Corinna haben die Ärzte das Blutgerinnsel traurigerweise nicht wahrhaben wollen, eben weil es so ungewöhnlich ist. Überrascht hat mich außerdem, wie die Verpackungen der Pille gestaltet sind. Nämlich oft mit Blümchen, Herzchen und pinkfarbener Schrift. Rein optisch kommt die Pille als Lifestyle-Produkt daher, das man sich in der Drogerie gut zwischen Kajalstiften und Wimperntusche vorstellen kann.
Dazu passt, dass eine junge Frau in einem Ihrer Kurzfilme sagt, dass sie sich beim Ausfüllen des ärztlichen Fragebogens immer unsicher ist, ob sie die Pille als Medikament angeben muss.
Genau. Die Pille muss in solchen Fragebögen eigentlich immer noch mal extra als Pille aufgeführt werden, weil man sie erst einmal nicht mit einem Medikament in Verbindung bringt. Aber natürlich ist die Pille ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel aus der Apotheke. Dass das Verpackungsdesign etwas anderes vermuten lässt, führt in die Irre.
Wird aus Ihrer Sicht zu wenig Aufklärung betrieben?
Wenn ich mich daran erinnere, wie ich damals die Pille verschrieben bekommen habe, dann ging es dabei eher um die Frage, wie man sie einnimmt – und weniger um die Frage, ob überhaupt und welche Nebenwirkungen bestehen. Ich hatte damals infolge der Pille zum Beispiel sehr trockene Augen bekommen und erst durch Zufall bei meinem Optiker erfahren, dass das eine Nebenwirkung der Pille sein kann. Ich denke insofern und vor dem Hintergrund meiner Interviews schon, dass es wichtig ist, sich umfassend zu informieren.
Das ist auch ein Ziel Ihres Multimediaprojekts?
Richtig. Auf meiner Internetseite habe ich Links zusammengetragen, die zu Organisationen wie Pro Familie führen, und die sehr differenziert informieren. Das sollte man insbesondere als Jugendlicher ruhig in Anspruch nehmen. Genauso als Erwachsener oder als Partner. Damit man mehr ins Gespräch kommt und eine für sich bessere Entscheidung treffen kann.
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