Was ist eine Antibiotikaresistenz?
Das Stäbchenbakterium Pseudomonas aeruginosa versteckt sich als klassischer Krankenhauserreger in Duschköpfen, Blumenvasen, Seifenspendern. Von dort aus muss er in den Körper einer Frau gelangt sein, die gerade ein Kind zur Welt gebracht hatte. Die junge Mutter kam mit einer Blutvergiftung auf die Intensivstation und wurde behandelt. „Doch unsere Therapien schlugen nicht an. Das Bakterium war gegen alle verfügbaren Antibiotika resistent“, erinnert sich Mathias Pletz. Der Mitte 40-Jährige leitet das Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene in Jena und war 2005 frisch von einem Forschungsaufenthalt an den Centers for Disease Control and Prevention zurück in Deutschland. In Atlanta hatte er sich mit den Ursachen und Mechanismen von Antibiotikaresistenzen im Labor auseinandergesetzt. Als junger Assistenzarzt an einer Klinik in Niedersachsen musste er nun erleben, dass eine Frau an den Folgen wirkungslos gewordener Antibiotika verstarb. „Das hat mich tief erschüttert und darin bestärkt, weiter an Strategien gegen diese bedrohliche Situation zu forschen“.
Wie entsteht eine Antibiotikaresistenz?
Seit der Entdeckung des Penicillins Anfang des 20. Jahrhunderts gelten Antibiotika als Wundermittel in der Behandlung von Infektionskrankheiten. Inzwischen entwickeln die Allzweckwaffen aber immer häufiger Resistenzen. Lothar H. Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts in Berlin, erklärt: „Antibiotikaresistenzen sind ein natürlicher Teil der Umwelt. Sie kommen in Bakterien vor, weil diese schon sehr lange existieren und sich in ihren verschiedenen Lebensräumen voreinander schützen müssen. Dadurch, dass wir als Menschen Antibiotika nutzen, reichern wir diese Resistenzen an und beschleunigen die Evolution, indem wir Selektionsdruck auf die Antibiotika ausüben“. Jährlich sterben etwa 33.000 Menschen europaweit infolge von Antibiotikaresistenz. Die Zahl solcher Todesfälle steige seit 2007, berichtet eine internationale Forschergruppe im Fachblatt „The Lancet Infectious Diseases“.
Vor dem Hintergrund dieser Situation hat das Bundesministerium für Gesundheit 2015 gemeinsam mit den Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft sowie Bildung und Forschung die Deutsche Antibiotikaresistenzstrategie „DART 2020“ erarbeitet. Die Maßnahme unterstützt Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika, alternativer Therapiemethoden und schnellerer Testverfahren.
Schnelltest und ein infektologischer Konsildienst
Auch Mathias Pletz’ Forschungsgruppe wird vom Bund gefördert. Die Wissenschaftler aus Thüringen arbeiten unter anderem an einem Schnelltest für Bakterien, die eine Resistenz gegen sogenannte „beta-Laktame“ entwickelt haben. „beta-Laktame“ sind die in Krankenhäusern am häufigsten eingesetzte Gruppe von Antibiotika, zu ihr gehört beispielsweise Penicillin. „Wenn man feststellen will, ob ein Erreger resistent ist, vermehrt der Mikrobiologe sie im Brutschrank und untersucht danach das Wachstumsverhalten in Gegenwart von Antibiotika. Dieser Vorgang kann mehrere Tage dauern. Bei einer schweren Blutstromvergiftung geht aber es um Stunden. Wird die Antibiotikatherapie bei einer Resistenz erst nach Tagen korrigiert, ist es häufig zu spät“, erklärt Pletz. Ein Schnelltest könnte hier Leben retten.
Wichtig sei auch ein bedachter Umgang mit Antibiotika, so der Mediziner. Denn Resistenzen lassen sich dadurch verringern, dass man weniger Antibiotika verabreicht und somit weniger Selektionsdruck auf die Bakterien ausübt. „Im Rahmen unseres infektiologischen Konsildienstes beteiligen wir uns an Visiten vor allem auf den Intensivstationen und beraten die Ärzte bei der Diagnostik und Therapie von Patienten mit schweren Infektionskrankheiten“, erklärt der Arzt. Dabei gelte die Regel: Soviel wie nötig, so wenig und so gezielt wie möglich. „Bei einer häufigen Blutstrominfektion, der sogenannten Staphylococcus aureus Bakteriämie, konnten wir nachweislich durch unsere Konsile nicht nur den Verbrauch von Breitspektrumantibiotika reduzieren, sondern auch die Krankenhaussterblichkeit um über 50 Prozent reduzieren“, freut sich der engagierte Mediziner aus Jena. „Solche Erfolge motivieren uns enorm.“
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