Nǐ Hǎo: Ein Zahnarzt aus Deutschland in China

Zähne sind ein Thema, das viele scheuen. Das ist in China nicht unbedingt anders, sagt der Kieferchirurg Norman von Sternberg.

Nǐ Hǎo: Ein Zahnarzt aus Deutschland in China

Dr. Dr. Norman von Sternberg sprach mit uns über das Gesundheitssystem in China. / ©iStock/tifonimages

Wir interviewten Dr. Norman von Sternberg über seine Erfahrungen als Zahnmediziner in China.

So gesund: Herr Dr. von Sternberg, als Zahnmediziner sind Sie bereits zum fünften Mal durch China gereist. Warum?
Norman von Sternberg: Ich habe mich auf navigierte Implantologie spezialisiert, bei der eine 3D-Planung am Computer einen fest im Kiefer verankerten Zahnersatz ohne Skalpell oder Naht ermöglicht. Die Chinesen sind solchen neuartigen Technologien gegenüber sehr aufgeschlossen, verfügen aber, je nach Betrieb, über vergleichsweise wenig Erfahrung. Sie laden deshalb gerne Medizinerinnen und Mediziner aus dem europäischen Ausland für den Wissenstransfer ein.

So gesund: Sie waren ungefähr 14 Tage lang unterwegs. Was haben Sie in dieser Zeit konkret in China gemacht?
N. v. S.: Ich habe in den unterschiedlichen, privat geführten Zahnarztpraxen Vorträge über navigierte Implantologie gehalten oder mit Kollegen Röntgenbilder besprochen. Manchmal waren nachmittags Patientinnen und Patienten zugegen, die ich über die Technik der navigierten Implantologie in einem leichter verständlichen Kurzvortrag informiert habe.

So gesund: Sie haben Shanghai besucht und Metropolen wie die Hafenstadt Guangzhou nordöstlich von Hongkong oder das ostchinesische, als Schuhstadt bekannte Wenzhou an der Küste. Wie sehen die Zahnarztpraxen in China aus?
N. v. S.: Einerseits gibt es staatliche Kliniken, die sich aufgrund der kommunistischen Geschichte des Landes wohl am besten mit Polykliniken aus der ehemaligen DDR vergleichen lassen. Diese Kliniken verfügen oftmals über einen riesigen Behandlungsraum mit durch niedrigen Stellwänden abgetrennten Kabinen. Diese staatlichen Praxen vergeben keine telefonisch vereinbarten Termine, die Menschen müssen sich bei Problemen mit den Zähnen direkt in die Klinik begeben. Dort ziehen sie wie auf dem Einwohnermeldeamt eine Nummer und warten, bis sie aufgerufen und versorgt werden. Da solche Praxen oftmals sehr überfüllt sind, bilden sich lange Schlangen vor den Einrichtungen – häufig sogar noch vor den offiziellen Öffnungszeiten. Die Menschen hoffen, so schneller an die Reihe zu kommen. Und dann gibt es seit ungefähr zehn Jahren Privatpraxen, in denen ich die Vorträge gehalten habe.

Luohan-Tempel von Chongqing (China)

Luohan-Tempel von Chongqing (China) / Foto © Dr. Norman von Sternberg (guided_implants auf Instagram)

Wie würden Sie die Privatpraxen beschreiben?
N. v. S.: Anders als in Deutschland unterhält nicht jeder Zahnarzt eine eigene Praxis. Vielmehr existieren große, mitunter börsennotierte Ketten von Zahnarztpraxen in mehreren Städten. Ein Anbieter ist beispielsweise mit 250 Praxen in ganz China vertreten. Von der Ausstattung her geben sich solche Praxen so unterschiedlich wie die Geschmäcker der Inhaber. Manche erinnern mit holzvertäfelten Wänden an die Kolonialzeit. Andere mit chinesischen Flaggen an ein kommunistisches Büro. Andere arbeiten mit futuristisch anmutenden Design- und Lichtkonzepten, so dass man sich im Inneren eines Raumschiffs wähnt. Andere sind mit rosafarbeneren Einhörnern im Wartezimmer komplett auf Kinder ausgerichtet
Wer sich in den Privatpraxen die Zähne behandeln lässt, muss die Kosten in aller Regel dafür selbst tragen.

Wie teuer ist das im Vergleich?
N. v. S.: Ich habe mich vor allem mit einem Wissenschaftler aus Shanghai ausgetauscht, der in Leipzig Europäische Geschichte studiert hat und bei seinem Aufenthalt ganz Deutschland kennengelernt hat. Er sagte, die Lebensunterhaltungskosten in Shanghai seien in etwa mit denen in Hamburg vergleichbar. Zahnimplantate kosten dort ungefähr genauso viel wie hier, sprich um die 2000 Euro oder 15639 Chinesische Renminbi Yuan. Der klassische Zahnersatz ist hingegen günstiger als in Deutschland. Heutzutage möchten sich immer mehr Chinesen in Privatpraxen behandeln lassen. Deshalb wächst das Interesse an einer Expertise aus dem Ausland.

Kommen umgekehrt auch Chinesen für den Wissenstransfer nach Deutschland?
N. v. S.: Kürzlich hat eine Gruppe chinesischer Implantologen deutschlandweit verschiedene Uni-Kliniken besucht. Grundsätzlich aber lassen sich mehr Ärzte erreichen, wenn ein europäischer Mediziner vor Ort ist.

Was haben Sie jenseits des Wissensaustausches in China erlebt?
N. v. S.: Im Anschluss oder zwischen den jeweiligen Veranstaltungen sind wir meistens essen gegangen, und natürlich ist die Küche beeindruckend. Von Nord nach Süd, von West nach Ost ist das Essen in China so vielfältig, als wäre man mal in Deutschland, mal in Frankreich, mal in Portugal. Abends habe ich meine Gastgeber oft in Clubs begleitet, in denen die jungen Chinesen feiern und auch einen Club besucht, den mir Udo Lindenberg empfohlen hat, der bei mir in Behandlung ist und der mit einem Schauspieler aus Shanghai befreundet ist, der einen Jazzclub in Shanghai betreibt. Es waren teilweise absolut spektakuläre Orte, beispielsweise wie ein Club mit einem meterlangen Aquarium an der Tanzfläche.

Danke für das Gespräch!

Dr. Dr. Norman von Sternberg

Dr. Dr. Norman von Sternberg

Dr. Dr. Norman von Sternberg

Dr. Dr. Norman von Sternberg machte 2003 seinen Doktor in Medizin und 2007 den Doktor in Zahnmedizin an der Uni Hamburg. Seit 2007 ist er Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, sowie Fachzahnarzt für Oralchirurgie und Implantologie. Aktuell hat er das ein Fortbildungsinstitut für Navigierte Implantologie gegründet. Im Wartezimmer seiner Altbaupraxis im Hamburger Stadtteil St. Georg hängen nicht nur Zeugnisse und Zertifikate an der Wand, sondern auch Zeichnungen von Udo Lindenberg – mit persönlicher Widmung. Dr. Norman von Sternberg ist außerdem bei Instagram.

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