Die Nachbarn unter uns werden sich freuen“, ruft mir mein Mann ironisch zu. Gut, es ist 22:35 Uhr, aber laut meinem Fitness-Armband fehlen mir noch 806 „Steps“. Netterweise zeigt mir das schwarze Kunststoff-Rund am linken Handgelenk auch an, wie ich das Tagesziel erreiche: Mit 12 Minuten joggen, 29 Minuten walken oder 1 Stunde 39 Minuten „up“ sein, also irgendetwas im Stehen tun. Darum renne ich im Wohnzimmer auf der Stelle, bis der Aktivitätsbalken im Display komplett aus roten Punkten besteht. Puh, jetzt darf ich auf die Couch.
Das Armband weiß es besser
Also ich als Sportsfreundin hätte nie gedacht, dass ich mich zu wenig bewege. Aber mein „Polar Loop“ weiß es besser. Über eine App auf meinem Smartphone habe ich es mit meinen Daten wie Gewicht, Größe, Geschlecht und der Info „vorwiegend sitzende Tätigkeit“ gefüttert. So ermittelt das Gerät, wann für mich das Bewegungsfass voll ist – nämlich bei 10.000 Steps, der vom Hersteller festgelegten Bewegungseinheit. Ein Step entspricht auch einem Schritt. Den Datentransport zwischen App und Gerät übernimmt Bluetooth, die Aufzeichnung ein 3-D-Sensor im Armband. Der wiederum erkennt, ob ich liege, sitze, mich im Stehen leicht, mittel oder stark belaste. Das Ergebnis wird in der App als Kreisdiagramm aufbereitet; was im Laufe der Woche so passiert, zeigt später ein Balken.
Nicht alle Daten sind sinnvoll
Am nächsten Tag die Enttäuschung: Die schweißtreibende Spinning-Stunde auf dem Studio-Fahrrad geht überwiegend als Sitzen in die Wertung ein. Denn mein gewohnter Pulsgurt arbeitet ohne Bluetooth und spricht darum nicht mit dem Armband. Und ohne Gurt stuft dieses Modell die Bewegung als zu lahm ein, weil es keinen eingebauten Pulssensor hat. So sind es am Abend nur 3,6 Kilometer alias 6.941 Schritte, obwohl ich beim Sport war. Also drehe ich am dritten Tag in der Mittagspause eine Walkingrunde und gehe zu Fuß ins Büro … zu Fuß, ja, auch den Rückweg. Die 13.507 Schritte können sich sehen lassen, ein Feuerwerk im Display belohnt mich für die qualmenden Socken. So viel Feedback gibt nicht jedes der über 20 (im Schnitt rund 80 Euro teuren) Armbänder auf dem deut schen Markt. Denn einige haben kein eigenes Display, stattdessen erscheint nur ein Symbol – etwa eine Linie, die mit dem Maß an Bewegung wächst.
Mein Band überwacht sogar meinen Schlaf. Von 6 Stunden und 54 Minuten waren 77 Prozent erholsam. Was mir dieses Wissen bringt? Laut Hersteller eine „bessere Schlafhygiene“ – dem Leipziger Hausarzt Dr. Dr. med. Hans-Detlev Stahl zufolge „medizinisch gesehen wenig“. Nicht alle Daten, die so ein Armband generiert, sind seiner Ansicht nach sinnvoll. Aber alle erhobenen Daten könnten zu Datenschutzproblemen führen. Dabei ist Hans-Detlev Stahl kein Gegner vom Smartphone-Monitoring. Im Gegenteil, er entwickelte das „Health Watchers“-Konzept, bei dem ihm seine Patienten Blutdruck und Gewicht per App direkt übermitteln. Zum Programm gehören auch Ernährungs- und Bewegungsempfehlungen. Experten halten Self-Tracking, also das Aufzeichnen der eigenen Körperdaten, gerade bei Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes für sehr sinnvoll.
Die neuen Geräte sollen motivieren und nicht nerven!
Die Empfehlung meines Begleiter-Bandes lautet, nie länger als eine Stunde zu sitzen. Tue ich es doch, erscheint ein Warndreieck, gestern fünfmal. Okay, es mag gesund sein, regelmäßig aufzustehen, aber wie soll ich bei den ständigen Unterbrechungen diesen Text zu Ende schreiben?! „Ein Monitoring muss zu meinem Leben passen, damit ich mich dauerhaft für einen gesunden Alltag entscheiden kann“, so Experte Stahl. Schließlich sollen die Tools motivieren und nicht nerven. Auch nicht meine Nachbarn, und darum lautet mein Fazit: Ein Fitness-Armband hält den inneren Schweinehund an der kurzen Leine. Jedoch muss jeder selbst entscheiden, wie weit die Überwachung gehen darf.
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