Sie möchten sich bewegen, aber Joggen liegt Ihnen gar nicht? Sie können sich einfach nicht überwinden, ein Fitness-Studio zu betreten? Müssen Sie auch gar nicht.
Mit der guten alten Gymnastik könne man schon sehr, sehr viel erreichen, sagt Professor Ingo Froböse, Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung der Deutschen Sporthochschule Köln. Und zwar auch zu Hause und ganz ohne irgendwelche Trainingsgeräte. Entscheidend ist, dass Sie beim Sport nicht nur Fett verbrennen und die Ausdauer verbessern, sondern Ihre Muskulatur aufbauen. Denn die spielt beim Projekt „gesund und schlank“ eine noch viel größere Rolle als lange gedacht.
Muskeln beeinflussen die Organe im ganzen Körper
Erste Hinweise darauf lieferte vor knapp zehn Jahren die Dänin Bente Pedersen, als sie in einer wissenschaftlichen Arbeit sogenannte Myokine beschrieb. Myokine sind Botenstoffe, die die Muskulatur produziert, sobald sie bewegt wird. „Diese Stoffe sind die Sprache der Muskeln, sie kommunizieren mit diesen Hormonen mit vielen anderen Organen“, sagt Froböse.
Die Muskeln sind also nicht einfach eine isolierte Struktur, die sich im besten Fall unter der Haut abzeichnet, sondern sie greifen auf vielfältige Weise in das System Körper ein. Mittlerweile sind rund 400 Myokine bekannt, am meisten weiß man über die Wirkungen von Interleukin 6: Es regt das Immunsystem an, indem es dafür sorgt, dass in der Leber mehr Abwehrstoffe entstehen. Es hilft, dass Blutzucker wieder besser in die Zellen geschleust werden kann, und wirkt so gegen die Zuckerkrankheit. Es führt dazu, das die Fettverbrennung deutlich gesteigert wird, und zwar im Fettgewebe selbst.
Die guten alten Bauch-Beine-Po-Kurse waren also goldrichtig, auch wenn niemand wusste, warum“, sagt Froböse.
Solche Gymnastik-Kurse gab es schon, lange bevor Fitness-Studios ihren Siegeszug antraten. Andere Myokine erleichtern den Muskelaufbau (Interleukin 15), können „böses“ weißes Fett in „gutes“ braunes Fett umwandeln, das direkt als Wärme verbrannt werden kann (Irisin), oder sorgen für eine bessere Durchblutung (Interleukin 8). Kurzum: Myokine vermitteln viele der bekannten positiven Effekte von Sport. Es gilt: Je mehr Muskeln, desto mehr Myokine können entstehen, wenn man sich bewegt. Darum regelmäßiges Muskeltraining oder, wie man früher sagte: Gymnastik.
Stark in neun Minuten täglich
Aerobic und Joggen dagegen verbrennen zwar Kalorien und verbessern die Ausdauer – beides super, natürlich –, doch sie produzieren keine hocherwünschten Myokin-Fabriken. Denn wenn Sie nicht gerade sprinten, trainiert Laufen nur die roten Muskelfasern. Also genau die Strukturen, die man auch beim Gehen, Stehen und Armheben, sprich im Alltag, ständig braucht. Für die Kraftentwicklung sind aber die weißen Muskelfasern zuständig, und die wachsen nur, wenn man beim Training 40 bis 50 Prozent ihrer maximalen Kraft einsetzt. Das schafft Gymnastik und Gewichtheben, aber eben kein gewöhnliches Lauftraining.
Froböse hat ein Trainingsprogramm entwickelt (in „Das Turbo Stoffwechsel Prinzip“, Gräfe & Unzer, um 20 Euro), das in nur neun Minuten täglich im ganzen Körper Muskeln aufbauen soll. Auch wenn man schon ganz schön fit sein muss, um das in dieser Zeit zu schaffen, und ganz schön diszipliniert, um wirklich jeden Tag dranzubleiben – wichtig ist erst mal die Erkenntnis: Es ist mehr als sinnvoll, seine Muskeln zu pflegen, sie also regelmäßig zu beanspruchen. Einmal pro Woche im Turnverein oder bei der Volkshochschule ist da schon viel besser als gar nichts.
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