Darmbakterien sind ein spannendes und wichtiges Thema. Wurde früher über alles, was mit dem Verdauungstrakt zu tun hat, eher wenig geredet, ist der Darm spätestens seit Giulia Enders Bestseller „Darm mit Charme“ als Gesundheitsthema in aller Munde. Tatsächlich ist unser Darm eine kleine Wunderwelt, über deren Wirken und Eigenleben man ehrfürchtig staunen kann. In der Fläche ist er riesig: Der acht Meter lange, eng zusammengefaltete Schlauch würde etwa 400 bis 500 Quadratmeter betragen, wenn man ihn ausbreiten würde. Jede Menge Platz, könnte man meinen, doch er wird dicht besiedelt von etwa 100 Billionen Bakterienzellen. Man könnte also unsere Darmflora auch als gigantische Bakterien-WG in unserem Körper bezeichnen.
Gesunde Menschen tragen etwa 1.000 verschiedene Bakterienarten in sich. Den größten Anteil daran haben die Bakterienspezies Bacteroides und Firmicutes. Als Teil des menschlichen Stoffwechselsystems haben die winzigen Darmbewohner maßgeblichen Einfluss auf unsere Gesundheit. Je nach Anordnung haben sie eine schützende Funktion oder sind Trigger verschiedener Erkrankungen.
Wer sind die Mitbewohner?
Darmbakterien sind Teil des Mikrobioms, ein relativ neuer Begriff, der von dem US-Molekularbiologen und Nobelpreisträger Joshua Lederberg in Anlehnung an das Humangenomprojekt geprägt wurde. Als Mikrobiom bezeichnet man alle auf und in einem Organismus beheimateten Bakterien. Man findet es nicht nur in der Darmflora, sondern auch in anderen Bereichen wie der äußeren Haut und den Schleimhäuten in Mundhöhle, Nasenhöhle und den Genitalorganen. Das hochkomplexe System wird sowohl durch Gene als auch durch Umweltfaktoren geprägt.
Das besonders dicht besiedelte Darmmikrobiom ist notwendig für unsere Verdauung und sichert somit unser Überleben. Im Idealfall leben die Bakterien mit ihrem Wirt, uns Menschen, in einer perfekten Symbiose. Wir bieten ihnen ein gut temperiertes Milieu, versorgen sie mit ausreichend Nahrung, sie wiederum helfen uns bei der Synthese lebenswichtiger Vitamine wie B1, B2, B6, B12 und K, der Produktion kurzkettiger Fettsäuren wie Essigsäure und Buttersäure, die als Energiequelle für die Darmschleimhautzellen dienen und das Darmmilieu mitbestimmen. Außerdem bekämpft das Mikrobiom – auch „Organ im Organ“ oder „Superorgan“ genannt – Entzündungen, unterstützt die Darmbarriere, die giftige Fremdstoffe abhält, baut Ballaststoffe ab, verdrängt durch seine pure Masse an guten Bakterien Krankheitserreger und stimuliert das Immunsystem, sodass sich die körpereigene Abwehr richtig entwickelt.
Darmbakterien: Ungelöste Rätsel
Alle Menschen haben eine bestimmte Kombination von Mikroorganismen gemeinsam. Dennoch gleicht kein Mikrobiom dem anderen. Auch weil sich ein Teil der Zusammensetzung, bedingt durch verschiedene Faktoren, wie zum Beispiel eine Umstellung der Ernährung von fleischlicher auf vegetarische Kost, ständig verändert.
Beschwerden wie Blähungen, Durchfall und diffuse Bauchschmerzen können darauf hinweisen, dass die Darmflora, also das bakterielle Gleichgewicht, gestört ist. Auch viele ernstere Erkrankungen werden mit einer Störung des Mikrobioms in Zusammenhang gebracht, darunter Darmentzündungen, Darmtumore und Darmkrebs. Darmbakterien könnten auch für Diabetes und Arteriosklerose ein möglicher Auslöser sein, vermuten Wissenschaftler. Selbst Erkrankungen des Gehirns wie Autismus und Demenz könnten mit dem Mikrobiom zusammenhängen, und auch in Sachen Übergewicht wird geforscht.
Wie genau die Bakterien sich auswirken, lässt sich noch nicht genau feststellen. Für die aktuelle Forschung ist das Mikrobiom ein umstrittenes und doch überaus beliebtes Thema, zu dem es immer wieder neue Erkenntnisse gibt. Gelänge es, das geheimnisvolle Zusammenspiel der Darmbakterien weiter zu entschlüsseln und zu beeinflussen, könnte das nach Meinung einiger Forscher zur Lösung vieler gesundheitlicher Rätsel führen. Zum Beispiel könnte die bisher nicht ermittelte Ursache für die chronisch-entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn ergründet werden, und sogar Depressionen könnten vom Mikrobiom ausgehend behandelt werden. Spannend!
Beitragsbild ©AdobeStock/Billionphotos.com
KOMMENTARE