Soll ich mal zur Vorsorge gehen, um mich auf Darmkrebs untersuchen zu lassen?
Die meisten von uns wissen, dass das grundsätzlich schon sinnvoll wäre. Schließlich ist Darmkrebs häufig, und viel zu oft ist er tödlich: Bei Männern sind Geschwüre in Kolon (Dickdarm) und Rektum (Enddarm) nach Prostata und Lungenkrebs die dritthäufigste Krebstodesursache in Deutschland, bei Frauen rangieren sie sogar auf Platz zwei nach Brustkrebs.
Dabei lässt sich Darmkrebs hervorragend behandeln – wenn man ihn denn rechtzeitig entdeckt. Darum gibt es seit 15 Jahren die Darmkrebsvorsorge beim Gastroenterologen, die bis heute vielen das Leben gerettet hat: Zwischen 2003 und 2012 ging die Darmkrebssterblichkeit bei Männern ab 55 Jahren um fast 21 Prozent zurück, bei Frauen dieser Altersgruppe sogar um mehr als 26 Prozent.
Doch trotz solcher Zahlen erfordert es oft viel Überwindung, eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch zu nehmen. Denn man muss dafür zum Arzt, obwohl man keinerlei Beschwerden hat, und sich danach womöglich mit einem beunruhigenden Ergebnis auseinandersetzen.
Hinzu kommt: Die wenigsten wissen, ab wann man denn gehen sollte oder wie so eine Vorsorgeuntersuchung aus sieht. Es halten sich viele falsche Überzeugungen rund um das Thema. In Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) räumen wir hier mit den häufigsten auf.
1. Mit unter 50 bekommt man keinen Darmkrebs.
Falsch. Auch ganz junge Leute kann die Krankheit treffen, und zwar vor allem dann, wenn sie in der Familie bereits aufgetreten ist. In einer Studie der University of Texas hatte von knapp 200 Betroffenen unter 35 gut ein Drittel ein sogenanntes vererbbares Krebssyndrom. Wessen Eltern oder Geschwister Darmkrebs haben oder hatten, der sollte deshalb bereits früh – zehn Jahre vor dem Diagnosealter des Verwandten – zum ersten Mal zur Darmspiegelung gehen, denn sein Erkrankungsrisiko ist etwa zwei bis dreimal so hoch wie bei denjenigen ohne familiäre Vorbelastung.
Richtig ist dagegen: Neun von zehn Darmkrebspatienten erkranken der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge nach dem 55. Lebensjahr. Darum greifen die allgemeinen Vorsorgeuntersuchungen auch nicht für junge Leute. Allerdings nimmt Darmkrebs bei Jüngeren schon seit Jahren zu. Ganz aktuell ist eine Untersuchung aus Frankreich, die kürzlich beim europäischen Gastroenterologen-Kongress vorgestellt wurde: Ihr zufolge werden bei 45 bis 49-Jährigen nicht nur sehr viel mehr Stellen mit Zellwachstum (Neoplasien) gefunden als bei den fünf Jahre jüngeren, sondern erstaunlicherweise auch mehr als bei fünf Jahre älteren Menschen.
Selbst wenn man die familiär vorbelasteten Studienteilnehmer heraus rechnet, bleibe der Anstieg in dieser Altersgruppe auffällig, so Studienleiter David Karsenti – es spreche alles dafür, mit einer routinemäßigen Vorsorge bereits mit 45 Jahren zu beginnen. Schon in diesem Alter mal mit dem Hausarzt darüber zu sprechen, ob ein Test auf verstecktes Blut im Stuhl sinnvoll wäre (siehe Frage 3), ist also nicht übertrieben.
2. Aber ich würde es doch merken, wenn etwas nicht stimmt.
Leider erst viel zu spät. Darmkrebs wächst sehr langsam, meist über einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren. Im Anfangsstadium verursacht er kaum Symptome. Und das bisschen Blut, das sich schon bald im Darm befindet, kann man nicht sehen. Wenn Beschwerden auftreten, ist der Krebs oft bereits weit fortgeschritten oder hat Metastasen gebildet.
„Keine andere Vorsorgemöglichkeit ist so effizient wie die Darmkrebsvorsorge“, sagt Dr. Dietrich Hüppe, Sprecher der Fachgruppe Darmkrebs im Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands. Denn während einer Darmspiegelung erkennen Arzt oder Ärztin Krebsvorstufen oder Polypen, aus denen sich ein bösartiger Tumor entwickeln kann, und entfernen diese auch gleich – bevor der Krebs überhaupt entsteht. Bei frühzeitiger Diagnose liegen die Heilungschancen bei 85 bis 95 Prozent; wird der Krebs spät entdeckt, sinken sie deutlich.
3. Darmkrebsvorsorge bedeutet, dass ich zur Darmspiegelung muss.
Nicht automatisch. Manchmal reicht auch ein sogenannter immunologischer Stuhl test („iFOBT“), der sich als zuverlässiger erwiesen hat als der bisher übliche sogenannte Guajak-Test („gFOBT“). Für den Test gibt man eine Stuhlprobe in einem speziellen Röhrchen beim Arzt ab, der es ins Labor schickt. Die Kassen erstatten die Untersuchung seit April vergangenen Jahres für alle Versicherten ab 50 Jahre.
In diesem Alter (und darunter) ist eine Darmspiegelung erst angeraten, wenn beim iFOBT Blutspuren im Stuhl entdeckt wurden. „Ab dem 55. Lebensjahr empfehlen wir dann jedem Bürger die Darmspiegelung als Vorsorge“, so Hüppe. Ist der Befund unauffällig, sollte sie nach zehn Jahren wiederholt werden. Ihnen fällt es schwer, dann auch daran zu denken? Gemäß Beschluss des Krebsfrüherkennungs- und -registergesetzes sollen Versicherte zukünftig per Brief zur Vorsorge eingeladen werden, ähnlich wie beim Brustkrebs.
4. Die Darmspiegelung ist unangenehm und schmerzhaft.
Nicht automatisch. Denn heutzutage gehört die sogenannte Sedierung auf Wunsch mit dazu. Die Patienten bekommen ein Beruhigungsmittel gespritzt und erleben die ganze Prozedur – man liegt seitlich auf einer Liege, während Arzt oder Ärztin einen biegsamen Schlauch mit einer Kamera durch den After in den Darm einführt – im Dämmerschlaf, stress- und schmerzfrei.
Um bessere Bilder machen zu können, wird durch den Schlauch auch etwas Gas in den Darm geschickt, das ihn leicht aufbläht. Heute nutzt man dazu in vielen Praxen Kohlendioxid (CO2), das schneller abgebaut und abgeatmet wird als Raumluft. So lässt sich der unangenehme Blähbauch nach der Untersuchung oft verhindern. Die Darmspiegelung dauert etwa eine halbe Stunde. Sie wird ambulant beim Gastroenterologen durchgeführt. Wie schnell man danach wieder nach Hause kann, hängt vor allem davon ab, ob man eine Schlafspritze bekommen hat oder nicht.
5. Es gibt auch sanfte Methoden zur Darmreinigung im Vorfeld.
Eher nicht. „An einer gründlichen Darmreinigung – also dem umfassenden Abführen vor der Untersuchung – führt kein Weg vorbei“, sagt Dietrich Hüppe. Häufig kommt es vor, dass der Darm von Patienten nicht gründlich genug gereinigt ist. Dann kann der Arzt Polypen oder andere Auffälligkeiten im Darm nur schwer erkennen.
Neue Studien zeigen, dass für eine optimale Darmreinigung das Abführen in zwei Etappen am effektivsten ist. Dabei sollten die Patienten auf zwei Tage verteilt eine Polyethylen-Lösung trinken. Bereits in den Tagen zuvor ist außerdem ballaststoffarme Kost angezeigt: Nudeln, helles Brot, nur wenig Gemüse.
6. Darmkrebs bekommt man durch falsche Ernährung.
Das ist zumindest teilweise richtig. Tatsächlich begünstigen viel rotes Fleisch und fette sowie kohlenhydratreiche Lebensmittel die Entstehung der Krankheit. Um vorzubeugen, empfehlen Experten eine ballaststoffreiche Kost, damit sich die Nahrung möglichst schnell durch den Körper bewegt. Auch ausreichende Bewegung trägt dazu bei.
Bestimmte Schadstoffe in der Nahrung wie Nitrosamine, die beim Braten von gepökelten und geräucherten Wurst- und Fleischwaren entstehen, zählen ebenso zu den Risikofaktoren.
7. Männer und Frauen haben das gleiche Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Oder?
Falsch. Das Risiko ist bei Männern höher als bei Frauen, sie erkranken auch rund fünf Jahre früher. Dabei könnte eine Rolle spielen, dass sie für gewöhnlich deutlich mehr Fleisch und weniger ballaststoffreiches Gemüse essen (siehe oben). Darum wird derzeit darüber nach gedacht, Männern bereits ab dem Alter von 50 Jahren eine Darmspiegelung zu empfehlen.
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