Das vertrage ich nicht!

Nicht nur Milchprodukte, auch zuviel Ballaststoffe oder Obst können die Ursache für Bauchprobleme sein. Was hilft

Das vertrage ich nicht!

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Wer auf viele Lebensmittel mit Magenkneifen, Durchfall und Blähungen reagiert, muss genau hinschauen, woraus sein Essen besteht.

Am schlimmsten waren die Kindergeburtstage. Vor allem, wenn es Torte gab. Stephanie wurde übel, nachdem sie davon gegessen hatte. Manchmal musste sie sich sogar übergeben. Ihre Eltern dachten, es läge an der Aufregung. Auch die Ärzte fanden nichts. Als junge Erwachsene geht es Grafikdesignerin Stephanie, heute 48, nicht besser: Einige Male hat sie so heftigen Durchfall, dass sie nicht ins Büro gehen kann. An anderen Tagen kann sie wegen der starken Blähungen kaum noch auf dem Stuhl sitzen. Stephanie ist 35, als die Ärzte endlich herausfinden, woher die Beschwerden kommen: Sie leidet an einer Laktose-Intoleranz. Das heißt, sie verträgt keinen Milchzucker und damit zum Beispiel keine Milch, keine Sahne und kaum einen Käse. Nicht die Aufregung, sondern der Vanillepudding in der Buttercremetorte war schuld, wenn ihr auf Kindergeburtstagen schlecht wurde.

Nur bei jedem 10. Patienten bestätigt sich der Verdacht

Bauchschmerzen, Durchfall oder Blähungen nach dem Essen – in Deutschland kennt etwa jeder Fünfte bis Sechste solche Beschwerden. Wie bei Stephanie kann dahinter eine Unverträglichkeit stecken, also etwa die Unfähigkeit, Milchzucker zu verdauen – weil zu wenig oder gar nichts von dem Enzym gebildet wird, das dafür nötig ist. Tatsächlich sind aber deutlich weniger Menschen von so einem Enzym-Mangel betroffen als vermutet. „Von 100 Menschen, die die Hausärzte mit Verdacht auf Laktose-Intoleranz zu uns schicken, bestätigt der Test nur bei zehn die Vermutung“, sagt Professor Joachim Erckenbrecht, ehemaliger Chefarzt für Innere Medizin im Düsseldorfer Florence-Nightingale-Krankenhaus und stell- vertretender Vorsitzender der Gastro-Liga, eines gemeinnützigen Vereins, der sich dem Einsatz gegen Verdauungskrankheiten verschrieben hat. Und die anderen? Bilden die sich Beschwerden wie Durchfall nur ein? Nein, doch oft ist mit den Enzymen alles in bester Ordnung. So hat beispielsweise Laktose generell eine abführende Wirkung, sie kommt auch als sanftes Mittel gegen Verstopfung zum Einsatz. Drei Latte macchiato am Tag können daher auch bei gesunden Menschen Durchfall auslösen. Ähnlich ist es bei Fruktose, also Fruchtzucker, der unter anderem in Obst, Fruchtsäften und in vielen Industrieprodukten wie Süßigkeiten oder Backwaren steckt: Wer ausschließlich Fruchtsäfte trinkt oder viel Obst isst, muss damit rechnen, dass er die Verdauung vielleicht zu sehr in Schwung bringt.

Ballaststoffe: Es kann auch zu viel des Guten sein

Gleiches gilt überraschenderweise gerade für diejenigen, die sich grundsätzlich besonders gesund ernähren, also zum Beispiel viel Salat, Gemüse und Vollkornprodukte essen. „Etwa jeder Fünfte verträgt die darin enthaltenen Ballaststoffe in so großen Mengen nicht“, erklärt Erckenbrecht. Vor allem Kinder und Menschen, die nicht daran gewöhnt sind, bekommen von den empfohlenen Mengen Ballaststoffe (für Erwachsene: 30 Gramm täglich) Blähungen und Bauchschmerzen. Der Grund: Die komplexen Kohlenhydrate können vom Dünndarm nicht aufgeschlüsselt werden und gelangen unverdaut in den Dickdarm. Dort werden sie von Bakterien verarbeitet, und dabei entstehen Gase. Die Erfahrung des Experten: Übermäßiger Ballaststoffkonsum führt sogar häufiger zu Beschwerden nach dem Essen als Nahrungsmittelunverträglichkeiten.

Schon kleine Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten – Wasser statt Saft, maximal drei Portionen Milch oder Milchprodukte am Tag, erst mal weniger oder nur fein gemahlene Vollkornprodukte, dann langsam wieder mehr – können bei gelegentlichem Bauchgrummeln oder leichtem Durchfall helfen. Sind die Beeinträchtigungen stark oder treten ungewohnte Symptome auf, rät Erckenbrecht, einen Gastroenterologen aufzusuchen. Die gute Nachricht: Laktose-, Fruktose- und Sorbit-Unverträglichkeiten können heute mithilfe eines Atemtests unkompliziert diagnostiziert werden. Eine Darmspiegelung ist dabei meist nicht erforderlich, insbesondere dann nicht, wenn die Beschwerden in ähnlicher Form schon lange bestehen, kein Blut im Stuhl nachweisbar ist und die Betroffenen jünger als 50 Jahre sind.

Manchmal hilft nur weglassen

Trotzdem dauert es manchmal lange, bis eine tatsächliche Unverträglichkeit entdeckt wird. Stephanie weiß zum Beispiel erst seit einem halben Jahr, dass sie neben Laktose auch Fruktose nur bedingt verdauen kann. Jetzt muss sie zwar auf noch viel mehr verzichten, aber zum ersten Mal in ihrem Leben fühlt sie sich ganz und gar gesund. Neben Mehrfach-Unverträglichkeiten wie bei Stephanie gibt es auch solche, die generell schwer nachzuweisen sind. Dazu gehören laut Erckenbrecht Histamin und Weizen. Da hilft in der Regel nur eine Eliminationskost, also der zeitweise Verzicht auf die verdächtigten Lebensmittel. Was die Suche besonders schwierig macht: „Oft sind die Symptome bei diesen Unverträglichkeiten wechselnd“, erklärt Erckenbrecht. „Jemand, der heute ein histaminhaltiges Lebensmittel nicht toleriert, kann es morgen vielleicht wieder vertragen.“

Das Angebot wird größer

Doch es lohnt sich, dranzubleiben. Denn ist erst einmal klar, woher die Beschwerden kommen, kann man in der Regel gut mit solchen Besonderheiten umgehen. Auch, weil das Angebot für die Betroffenen immer größer wird: laktosefreie Milch, Joghurt, Käse … selbst Hochzeitstorten gibt es mittlerweile ohne Milchzucker.

Reaktionen auf Nahrungsmittel: Was ist was?
Bei einer Unverträglichkeit kann der Körper bestimmte Lebensmittel (zumindest in größeren Mengen) nicht richtig verdauen. Die Folge sind Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall. Zu den häufigsten Unverträglichkeiten gehören Laktose- und Histamin-Intoleranz, Fruktose-Malabsorption und Gluten- bzw. Weizen-Sensitivität. Eine Unverträglichkeit ist keine Allergie. Bei einer Lebensmittelallergie reagiert nicht der Verdauungstrakt, sondern das Immunsystem, und zwar schon auf winzige Mengen eines Allergens etwa in Fisch, Nüssen oder Eiern. Die Reaktion kann von leichtem Kribbeln im Mundraum bis hin zum allergischen Schock reichen. Und dann gibt es noch die sogenannten pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien, die Heuschnupfenpatienten betreffen. Weil sich die Eiweißstoffe etwa in Birkenpollen, Äpfeln oder Pflaumen ähneln, kann es im Mund kribbeln, wenn man Obst isst.

TIPP:
Ernährungsempfehlungen bei Unverträglichkeiten gibt es vom „Klinikum rechts der Isar“ unter dem Stichwort „Erkrankungen des Verdauungstraktes“: www.mri.tum.de

 

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