Sport macht schlank, Sport hält fit, Sport baut Stress ab und beugt Herzinfarkt und Schlaganfall vor – das ist bekannt. Wie effektiv Bewegung gegen Krebs hilft, ist dagegen längst noch nicht in allen Köpfen angekommen. Was zahlreiche Studien inzwischen beweisen, ist ja auch schwer zu glauben: dass nämlich viel Bewegung im Alltag sowie regelmäßiger Sport das Krebsrisiko in einer Größenordnung von ungefähr 20 Prozent senken können. Eine zusammenfassende Analyse von 52 Studien zeigte zum Beispiel, dass die Wahrscheinlichkeit, Dickdarmkrebs zu bekommen, durch körperliche Aktivität im Mittel um 24 Prozent gesenkt werden kann. Für Dickdarm-, Brust- oder Prostatakrebs ist zudem bewiesen: Das Risiko, daran zu erkranken, sinkt umso stärker, je mehr man sich bewegt.
Den Haushalt machen ist besser als auf dem Sofa liegen
Nur ein bisschen durch die Gegend schlendern reicht also nicht. Die Rede ist von zumindest moderater körperlicher Belastung. Doch was bedeutet „moderat“? Wissenschaftler benutzen hier als Maß das MET (metabolisches Äquivalent). Ein MET entspricht einem Kalorienverbrauch von einer Kalorie (kcal) pro Kilogramm Körpergewicht pro Stunde; bei drei bis sechs MET spricht man von moderater, darüber von intensiver körperlicher Aktivität. Schnelles Joggen (6 MET) ist natürlich viel intensiver als beispielsweise zügiges Gehen (3 MET), und Gartenarbeit (4 MET) verbraucht mehr Energie als leichte Hausarbeit (2,5 MET). Zur Krebsvorbeugung sollte man pro Woche zehn bis 15 MET abarbeiten. Das bedeutet: Schon wer an fünf Tagen pro Woche eine Stunde zügig geht, 30 Minuten joggt oder eineinhalb Stunden im Haushalt werkelt, hat richtig was für die Krebsvorbeugung getan. Das ist umso wichtiger, als heutzutage fast jeder Zweite von uns im Laufe eines langen Lebens an Krebs erkrankt.
Und wie genau verhindert Bewegung bösartige Tumoren? Das ist noch nicht völlig geklärt. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle: Sport stimuliert das Immunsystem, er senkt den Zucker- und Insulinspiegel und damit auch insulinartige Botenstoffe, die das Tumorwachstum fördern. Zudem reguliert körperliche Aktivität tumorfördernde Sexualhormone wie Östrogen und Testosteron und intensiviert Reparaturmechanismen in den entarteten Zellen. Außerdem hilft Sport, Übergewicht zu vermeiden, das einen eigenen Risikofaktor für einige Krebsarten darstellt.
Krebskranke leben länger und besser mit Bewegung
Bewegung kann aber nicht nur die Entstehung von bösartigen Tumoren verhindern, sondern nach einer Krebserkrankung sogar dazu beitragen, dass die Krankheit nicht wiederkommt. Eine solche Wiedererkrankung (Rezidiv) versucht man normalerweise mit einer sogenannten adjuvanten Chemotherapie zu verhindern, die das Rückfallrisiko je nach Tumorart und -stadium um etwa 30 Prozent senken kann. Und genauso groß ist auch der -Effekt von Sport – aber ganz ohne die sehr unangenehmen Nebenwirkungen einer Chemotherapie. Natürlich kann man eine adjuvante Therapie nicht einfach durch Joggen ersetzen. Aber jeder Betroffene kann damit zusätzlich etwas tun, um seine Heilungschancen zu erhöhen. So hat eine Studie gezeigt, dass Frauen, die sich vor ihrer Brustkrebserkrankung wenig bewegt hatten, danach aber zwei bis drei Stunden pro Woche walkten, ein um 45 Prozent geringeres Sterberisiko hatten als Patientinnen, die auch nach der Krebsdiagnose körperlich inaktiv blieben. Bei Darmkrebs belegen die bisherigen Studien mit Betroffenen, dass das Risiko, an diesem Krebs zu sterben, sogar um bis zu 60 Prozent reduziert werden kann – allerdings muss man für diesen Effekt viel tun, nämlich ungefähr sechs Stunden pro Woche schnell walken. Ähnliche Daten gibt es von Patienten mit Prostatakarzinomen.
Klar, für diese Wirkung muss man dranbleiben, das Risiko eines Rezidivs sinkt nicht von heute auf morgen. Aber Sport bei Krebs hat auch eine Sofortwirkung: Selbst etwas tun zu können gegen den Krebs gibt den Patienten sehr oft auf Anhieb ein gutes Gefühl.Hinzu kommt: Die Nebenwirkungen einer Chemo- oder Strahlentherapie werden durch Bewegung ebenfalls abgemildert. Während man Krebspatienten früher geraten hat, sich während der intensiven Therapiephase zu schonen, empfiehlt man ihnen heute, wann immer es irgendwie geht aktiv zu werden. Besonders gut hilft Bewegung auch gegen die lähmende Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue), unter der sehr viele Krebspatienten leiden, zudem bessern sich nachweislich Depressionen und Schlafstörungen.
Der richtige Sport
Aber natürlich müssen Ärztin oder Arzt vorab ihr Okay geben. Frischoperierte müssen warten, bis die Narben ausreichend verheilt sind (bei kleineren Eingriffen sechs bis acht Wochen, bei großen Bauchschnitten länger).
Bei Knochenmetastasen muss vorab geprüft werden, ob der Knochen stabil genug ist für Bewegungsübungen. Bestimmte Krebsmittel (Anthrazykline, Trastuzumab) können das Herz schädigen, hier muss ein Kardiologe sicherstellen, dass das Herz nach der Behandlung belastbar genug ist. Auch eine ausgeprägte Blutarmut und zu wenige Thrombozyten (Blutplättchen) im Blut sind ein Grund, mit dem Sport vorübergehend auszusetzen.
Und welcher Sport ist der richtige für Krebspatienten? Jeder, der Spaß macht, denn Dabeibleiben ist das Wichtigste (vielleicht ist Tanzen eine Idee?). Einige Sportarten sind besonders geeignet, um spezifische Nebenwirkungen von Krebsmedikamenten zu mildern, z.B. Gefühlsstörungen in den Füßen (Polyneuropathie). Dagegen gibt es spezielle Gleichgewichts- und Körperwahrnehmungsübungen (Sensomotorik-Training), die von Physiotherapeuten auf Rezept angeboten werden. Wer nach einer Operation im Unterbauch (z.B. bei Prostata- oder Gebärmutterkrebs) Schwierigkeiten mit unwillkürlichem Urinabgang hat, profitiert von einem Beckenbodentraining. Radfahren ist in dieser Situation dagegen weniger geeignet, damit sollte man nach dem Eingriff mindestens ein Vierteljahr warten. Auch gegen Lymphödeme im Arm nach einer Brustkrebs-OP gibt es gezielte Übungen, die den Lymphabfluss fördern und so den Arm abschwellen lassen.
Das Angebot ist riesig
Solche Therapien können Hausarzt oder Onkologe auf Kassenrezept verordnen, und egal, welchen Sport Sie als Betroffener machen: Es lohnt sich, bei der Krankenkasse nachzufragen, ob diese ihn fördert. Die Vorteile gegenüber dem Training auf eigene Faust: dass man sich austauschen kann und dass man leichter dranbleibt. Das Angebot ist riesig, Auskunft geben u.a. die Kassen und die örtlichen Sportvereine. Entsprechende Kursprogramme in der Nähe des Wohnorts findet man auch auf www.sportprogesundheit.de.
KOMMENTARE