Wie überstehe ich die Einsamkeit in der Corona-Krise, Nina Skarabela?

Eine Heilpraktikerin für Psychotherapie aus München bietet Menschen in Not eine kostenlose telefonische Unterstützung an. Mehr im Interview mit Nina Skarabela.

Wie überstehe ich die Einsamkeit in der Corona-Krise, Nina Skarabela?

Wie gehen Menschen mit psychischen Problemen mit der Corona-Krise um? Ein Interview mit Nina Skarabela ©iStock/nadia_bormotova

Nina Skarabela, Sie sind Heilpraktikerin für Psychotherapie und haben ihre Email-Adresse bei Instagram veröffentlicht mit dem Hinweis, dass man Ihnen schreiben und eine Stunde kostenloses telefonisches Gespräch vereinbaren kann, wenn man gerade in Not ist. Wie kamen Sie auf die Idee?

Schon lange bevor die Ausgangsbeschränkung in Kraft getreten ist, habe ich in den sozialen Medien festgestellt, dass viele Menschen davon berichten, dass sie sich mit der Situation schwer tun. Ihnen fehlt das alte Leben, die gemeinsam mit Freunden verbrachte Zeit, und vielleicht ploppen plötzlich alte Ängste wieder auf. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Therapeuten gerade ihre Praxis geschlossen haben, Hotlines für seelische Notfälle sind überlastet. So kam ich auf die Idee, kostenlose therapeutische Gespräche anzubieten – zumal ich im Moment selbst viel Zeit habe, mein Mann lebt in Berlin, wir haben uns seit vier Wochen nicht gesehen. Es ist aber nicht nur der Altruismus, der mich antreibt. Mir macht es einfach gute Laune, durch die ehrenamtliche Tätigkeit etwas in den Topf der positiven Energie zu werfen. Und vielleicht möchte der ein oder andere ja auch im Anschluss an die kostenlose Stunde weiter mit mir zusammen arbeiten. Denn so ein Notfall-Gespräch ersetzt natürlich keine Therapie.

Nina Skarabelas Instagram-Aufruf zur kostenlosen telefonischen Beratung

Wer hat sich bislang gemeldet?

Es sind sehr viele junge Leute Mitte Zwanzig, die mich anrufen. Sie verarbeiten mit Corona ihre vielleicht erste große Lebenskrise und fühlen sich sehr auf sich zurückgeworfen. Grundsätzlich leiden die Menschen, so mein Eindruck, nicht in erster Linie unter der Bedrohung durch das Virus – abgesehen von Risikopatienten mit Vorerkrankungen. Bei vielen Menschen brechen durch die jetzige Situation alte psychische Probleme wieder auf.

Zum Beispiel?

Eine Frau war etwa in der Vergangenheit Opfer häuslicher Gewalt. Durch die Kontaktsperre fühlt sie sich wieder eingesperrt und ausgeliefert. Hier kommt ein altes Gefühl hoch. 

Wie können Sie innerhalb einer Stunde helfen?

In einer Stunde lässt sich gut an negativen Glaubenssätze arbeiten, auch wenn diese oft nur indirekt mit der Krise zu tun haben. Im Fall der Frau beispielsweise war es der Satz: „Ich sitze in der Falle“. Wir haben den Satz dann umgedreht: „Ich bin frei. Ich alleine kann über meinen Körper und meinen Geist bestimmen.“ Ein solcher umgedrehter, positiver Glaubenssatz hat eine beflügelnde Kraft, ein negativer zieht runter. Ich hatte der Frau geraten, sich den positiven Satz auf ein Papier zu schreiben und öfter am Tag durchzulesen, so wird der alte Satz quasi überschrieben. 

Wie kann ich selbst meinen eigenen negativen Grundsatz herausfinden? 

Indem ich mir überlege, welche hinderlichen Vorannahmen ich von mir selber habe. Ein klassischer negativer Glaubenssatz, den viele vielleicht von sich kennen, heißt beispielsweise: „Meine eigenen Bedürfnisse sind weniger wert als die der anderen“. Umgedreht lautet er: „Meine Bedürfnisse sind es wert, dass ich sie ernst nehme“. Es hilft, wenn man sich klar macht, dass man für sich selbst verantwortlich ist und dafür Sorge tragen muss, dass die eigenen Bedürfnisse befriedigt werden.

Vieles von dem, was einem gut gut, ist derzeit nicht möglich: schwimmen gehen, sich mit Freundinnen im Café treffen, seine Familie besuchen. Wie kann man sich in der jetzigen Lage noch selber helfen?

Indem ich mir bewusst mache, dass ich nicht von einem Input im Außen abhängig bin. Die Lösung liegt in mir. Es gibt hier einen Spruch, der das ganz gut umschreibt: „Man ist dann erwachsen, wenn man sich selbst trösten kann“. Das müssen viele junge Menschen gerade auf die harte Tour lernen.

Ein großes Problem momentan ist ja auch, dass die Menschen Angst haben.

Ja ganz viele, die mich anrufen, hatten schon in der Vergangenheit Erfahrungen mit einer Angststörung. Sie befürchten, dass die Situation von damals zurückkehrt. Hier ist es hilfreich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass man sich weiter entwickelt hat. Ein positiver Glaubenssatz könnte lauten: „Ich habe mich verändert“. Bestärkend ist es auch, dazu ein Bild zu kreieren. Eine Klientin hat sich damals in der Angst wie ein dünnes Ästchen gefühlt, jetzt hingegen kann sie sich als großen Baum sehen. Dieses Gefühl kann ihr niemand nehmen.

Wie kann ich es denn selber schaffen, mehr Kontrolle über die Angst zu erlangen?

Ich kann mir bewusst machen, dass es auch vor Corona eine Milliarde Dinge gab, über die ich keinerlei Kontrolle habe. Weder darüber, ob ein Meteorit die Erde trifft, noch habe ich es in der Hand, ob ich an etwas anderem erkranke. Genauso wenig kann ich kontrollieren, dass mich nicht eines Tages ein Irrer auf der Straße umfährt. Es wird deutlich: Ich kann kaum etwas kontrollieren und müsste entsprechend theoretisch permanent Angst haben. Das tun die meisten Menschen aber nicht. Aktuell ist nur der Fokus unverhältnismäßig groß auf eine konkrete Bedrohung gerichtet. Eine weitere Strategie, sich zu helfen, kann sein, eine Sorge zu Ende zu denken. Wenn man beispielsweise aktuell Angst hat, seinen Job und damit den finanziellen Rückhalt zu verlieren, lohnt es sich, genau zu hinterfragen, was in diesem Moment passieren würde: Was würde geschehen, wenn ich arbeitslos bin? Bricht dann alles weg? Was bleibt Gutes in meinem Leben? Man stellt sicherlich schnell fest, dass zwar ein wichtiger Teil fehlen würde – aber eben nicht alles. Grundsätzlich gilt: Angst ist per se nichts schlechtes, sie hat eine wichtige Schutzfunktion. Im Moment ist es ja auch sehr vernünftig, Respekt zu haben und nicht kopflos nach draußen zu rennen. 

Ist es auch eine Typsache, wie man mit  #stayhome und der Kontaktsperre zurecht kommt?

Ja, auch das. Es gibt Menschen, die schöpfen ihre Kraft aus dem Alleinsein, die tanken dann auf, wenn sie ungestört und für sich sind. Andere wiederum ziehen ihre Energie daraus, unter Menschen zu sein, am besten draußen. Für die ist es natürlich jetzt etwas schwieriger. Hier gilt es neue Wege zu betreten – und vielleicht wird man währenddessen positiv überrascht.

Vielen Dank!

Wer Nina Skarabela für eine kostenlose Beratung erreichen möchte, kann ihr schreiben unter: nina.skarabela@gmail.com

Nina Skarabela

Nina Skarabela ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und bietet seit mehr als zehn Jahren Systemische Therapie bei psychischen Problemen an. Sie hat sich dabei besonders auf lösungsorientierte Kurzzeittherapie spezialisiert. Auf ihrem Instagram-Account führt Nina Skarabela Live-Chats durch zum Thema: „Angst und Überforderung durch Corona.“

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