Hängen Entzündung und Depression zusammen?

Die Ursachen der Depression sind immer noch unzureichend verstanden. Vielleicht spielen bei ihrer Entstehung Entzündungen eine Rolle.

Hängen Entzündung und Depression zusammen?

Kann eine Entzündung im Körper auch Depressionen verursachen? / ©iStock/twinsterphoto

Professor Manfred Schedlowski vom Universitätsklinikum Essen ging der Frage nach einer Verknüpfung zwischen Entzündung und Depression in einer Studie auf die Spur. Wir haben ihn dazu interviewt.

Hinweis: Hier finden Sie Hilfe bei Depressionen und anderen psychischen Problemen.

Herr Prof. Schedlowski, Sie haben eine Studie durchgeführt, bei der Sie gesunde Menschen vorübergehend krank gemacht haben. Warum?

Wir erforschen den Zusammenhang zwischen Depressionen und Entzündungen, wir gehen also der Frage nach, ob sogenannte Zytokine für die Depression verantwortlich sein können. Zytokine sind Entzündungsmarker, die von weißen Blutkörperchen direkt am Ort der Entzündung freigesetzt werden. In unserer Studie erhielten die Teilnehmer entweder ein Placebo oder ein Endotoxin, also eine Substanz, die im Körper eine ungefähr vier bis sechs Stunden anhaltende Entzündungsreaktion auslöst. Dann haben wir die Zytokine im Blut und im Rückenmark gemessen.

Was haben Sie herausgefunden?

Die Probanden, die die Endotoxine erhalten hatten, fühlten sich, als wäre eine leichte Grippe im Anmarsch. Sie waren unkonzentriert und etwas matt. Anschließend haben wir sie zu ihrer Stimmung befragt und festgestellt, dass sie depressive Symptome entwickelt haben. Besonders interessant war: Je höher die Konzentration der Zytokine, insbesondere vom Interleukin-6, im Blut war, desto ausgeprägter waren die depressiven Symptome der Teilnehmer.

Das bedeutet, die Entzündung hat eine Depression ausgelöst?

Man kann es bislang nur vorsichtig als Vermutung formulieren. Grundsätzlich müssen wir noch herausfinden, wie die entzündlichen Botenstoffe wie Interleukin-6 überhaupt die Blut-Hirn-Schrank überwinden, da sie eigentlich als Molekül dafür zu groß sind. Aus evolutionsbiologischer Perspektive macht es aber durchaus Sinn, parallel zu einem Infekt vorübergehend eine depressive Verstimmung zu entwickeln.

Inwiefern?

Ganz einfach: Die depressive Verstimmung führt zu Antriebslosigkeit, Erschöpfung und sozialem Rückzug – und das ist im Krankheitsfall durchaus erwünscht. Andere sind so vor der Gefahr einer Ansteckung geschützt, und der Betroffene kuriert sich aus, bevor er sich wieder den Anforderungen des Alltags stellt.

Bei ungefähr einem Drittel der Depressionspatienten schlagen die gängigen Antidepressiva nicht an. Könnte das daran liegen, dass diese Menschen eigentlich antientzündliche Medikamente bräuchten?

Es gibt seit einigen Jahren einen großen Streit unter den Forschern über die Wirksamkeit von Antidepressiva, einige sagen, dass sie nicht besser wirken als Placebo, Arzneimittel ohne echte Wirkstoffe. Ein deutliches Zeichen, dass da etwas im Busch ist, ist meiner Meinung nach, dass die großen Pharmafirmen die diesbezügliche neuropsychiatrische Forschung und damit die Investitionen weitgehend eingestellt haben. Die Unsicherheit überträgt sich auf die Patienten. Ich selbst erhalte relativ viele Anfragen von Betroffenen, die wissen möchten, ob sie für ihre Depression nicht lieber eine anti-entzündliche Medikation nehmen sollen.

Was antworten Sie?

Bis wir ein Antibiotikum gegen entzündlich-bedingte Depressionen verschreiben können, sind noch viele weitere Studien notwendig. Wer unter einer mittelschweren oder schweren Depression leidet, muss im Zweifelsfall einfach ausprobieren, ob er zu denjenigen Patienten gehört, bei denen die Antidepressiva gut anschlagen.

Manfred Schedlowski

Manfred Schedlowski ist Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie am Universitätsklinikum Essen. Der Schwerpunkt seiner Forschung liegt auf der Analyse der funktionellen Verbindungen zwischen dem Nervensystem, dem Hormonsystem und dem Immunsystem.

Beitragsbild: ©iStock/twinsterphoto

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