Pizza war gestern: Heute bringen Lieferservices gestressten, ernährungsbewussten Kunden Teil- oder Vollpension direkt nach Hause – einfach per App oder Klick. Die Firma Kukimi beispielsweise liefert vakuumverpackte Menüs unter 450 Kalorien, die der Hungrige nur noch im Wasserbad oder der Mikrowelle erwärmen muss. Bei Eatclever können die Kunden zwischen frisch zubereiteten vegetarischen, veganen, kohlenhydratarmen und eiweißreichen Suppen, Salaten und Hauptgerichten wählen. Das Kölner Start-up EarlyTaste liefert sogar das Frühstück bis ans Bett, natürlich auch in veganer oder Fit-in-den-Tag-Variante. Fachleute gehen davon aus, dass man sich bald sämtliche Dienstleistungen nach Hause oder ins Büro bringen lassen kann. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die einfache Bestellung übers Internet. In den USA gehören die apfelgrünen Fresh-Trucks von Amazon längst zum Straßenbild. „Die Branche Ernährung und Gesundheit wird sich auch hierzulande in den nächsten Jahren immer stärker digitalisieren“, erklärt Thorben Fasching, Vizepräsident vom Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V.
Kochen wird zur Ausnahme
Alles praktisch, alles zeitgemäß also? Der Internist und Diabetologe Dr. Matthias Riedl vom Medicum Hamburg sieht diesen Ernährungstrend mit gemischten Gefühlen. „Er zeigt die Entfremdung der Menschen zur Nahrungszubereitung. Sie wird nur noch als Last empfunden.“ Gerade junge Menschen könnten immer seltener kochen. „Dabei ist die Essenszubereitung eine Fähigkeit, die jeder erlernen sollte. Sonst macht man sich abhängig und legt die Verantwortung in die Hände von Herstellern und Lieferdiensten.“ Mal abgesehen davon, dass Kochen viel Spaß macht, wenn man sich die Zeit dafür nimmt. Gerade, wenn man für mehrere kocht – das klassische Bild der Familienmahlzeit werde immer seltener, bedauert Riedl.
Der Teufel steckt im Detail
Aber klar: „Die Ingwer-Möhren-Suppe von Eatclever ist ganz sicher die bessere Alternative zur Salamipizza“, so Riedl. Denn Pommes, Pizza & Co. erhöhen langfristig das Risiko für Übergewicht, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Jeder sollte sich überwiegend selbst um seine Ernährung kümmern und auch bei den neuen Bringdiensten auf einige Punkte achten.“ Dazu zählen: Sind die Nährwerte der Gerichte angegeben? „Selbst auf den ersten Blick gesunde Mahlzeiten ohne Geschmacksverstärker können zu viele Kalorien enthalten oder falsch zusammengesetzt sein“, weiß der Ernährungsmediziner. „Für das Sättigungsgefühl ist zum Beispiel ein hoher Proteingehalt wichtig, etwa durch helles Fleisch, Fisch, Ei oder Soja. Der Gemüseanteil sollte immer größer sein als der der Sättigungsbeilage, also Kartoffeln, Nudeln oder Reis. Und es sollten hochwertige Öle verarbeitet werden.“
Trau, schau, wem
Ob das so ist, kann man als Kunde eines Lieferdienstes für gewöhnlich anhand der Speisekarte nicht nachvollziehen, ebenso wenig, wie schnell frische Zutaten verarbeitet werden. „Eine lange Lagerung geht bei Obst und Gemüse zulasten der Vitamine“, so Riedl. Und wie sieht es mit der Verpackung aus? „In Pappkartons wurden immer wieder belastende Mengen von Druckerfarben und Maschinenöl gefunden. Salzige und saure Speisen dürfen nicht mit Aluminium in Verbindung kommen. Sonst lösen sich nierenschädigende Partikel daraus.“ Und am Ende landet die Box auf dem Müll. Für die Umwelt ist die zunehmende Liefer-Wirtschaft aber nicht nur deshalb ein Problem: Wenn nicht gerade geradelt wird, steigt mit jeder Lieferung ganz sicher der CO²-Ausstoß.
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