Herr Gurkasch, wann haben Sie das erste Mal eine Auswirkung der Entspannungsübungen Fünf Tibeter auf Ihren Körper und Geist bemerkt?
Eigentlich sofort. Ich hab mich dabei erwischt, wie ich morgens im Knast pfeifend zur Dusche ging – und im Knast ist man schon fast statusmäßig schlecht gelaunt. Auch beim Treppensteigen fiel es mir auf. Ich war richtig beschwingt. Nach ein paar Wochen haben mich Mit-Insassen auf dem Hof gefragt, ob ich ihnen etwas von dem Zeug verkaufe, was ich nehme, und das mir so gute Laune macht.
Wie kamen Sie zu den Entspannungsübungen?
Ich war, nachdem ich das erste Mal aus dem Gefängnis entlassen worden war, direkt rückfällig geworden – mit Raubüberfällen. Einmal geriet ich in ein Feuergefecht mit der Polizei, in dem mich eine Kugel im Rücken traf. Ich lag auf dem Boden und dachte: Das war’s. Ich sterbe. Bin ich aber nicht. Stattdessen wurde ich zu 13 weiteren Jahren Haft verurteilt. Und ich wusste nicht, wie ich die Zeit überstehen soll. Denn mein grenzenloser Hass und der Zorn, zwei Gefühle, die mich zuvor angetrieben und am Leben erhalten hatten, waren durch die Erfahrung des nahen Todes verschwunden. Gleichzeitig gab mir meine Frau zu verstehen, dass sie auch dann bei mir bleibt, wenn ich schwach bin. Das war neu für mich. Ich befand mich dadurch auf der Suche nach einer anderen Art zu leben. Ich steckte in einer ziemlich tiefen Krise.
In dieser Zeit haben Sie die Fünf Tibeter kennengelernt.
Ja. Meine Frau hatte sich zu der Zeit mit verschiedenen esoterischen Theorien beschäftigt. Ich konnte mit ihnen zwar nicht viel anfangen, trotzdem kam ich über sie zu den Fünf Tibetern. Oder die Fünf Tibeter kamen zu mir vielmehr. Denn ich hatte mir in jener Zeit eine Muskelverletzung beim Sport zugezogen und konnte nicht wie gewohnt täglich drei Stunden trainieren. Ich konnte aber die „Mädchengymnastik“ absolvieren, wie ich die Fünf Tibeter damals nannte. Also habe eines Tages angefangen, in meiner etwa sieben Quadratmeter großen Zelle den „Kreisel“, die „Kerze“ oder den „Halbmond“ der Fünf Tibeter auszuprobieren. Ich habe mir davon nicht viel versprochen. Aber nach einigen Tagen ging es mir besser als jemals zuvor.
Wie erklären Sie sich das?
Die Fünf Tibeter verfügen über eine große transformative Kraft. Sie sind sogenannte Bandhas, Praktiken, die durch das Zusammenziehen bestimmter Muskeln Energie im Köper festhalten und die einige vielleicht aus dem Yoga kennen. Man kann sich die Bandhas wie Energielenkungsschleusen vorstellen. Werden sie durch Übungen geöffnet, fließt die Lebensenergie Prana durch den Körper. Dadurch verleihen einem die Übungen die Energie, Dinge anzupacken, die man vielleicht schon immer einmal machen wollte, zu denen man sich bislang aber nicht hatte durchringen konnte. Mit dem Rauchen aufzuhören oder abzunehmen zum Beispiel.
Heute unterrichten Sie als Yogalehrer in Gefängnissen. Können Sie mit den Fünf Tibetern anderen Menschen helfen?
Durchaus. Ich erlebe viele Gefangene, die tiefe spirituelle Erfahrungen machen und ihr Leben massiv verändern. Einer hat beispielsweise zwei Banküberfälle gestanden, die man ihm nicht hatte nachweisen können. Aber er war zu einer Einsicht gelangt, wollte die Zeugen vor weiteren Aussagen bewahren und sich seine Schuld durch ein Geständnis teilweise erleichtern. Bei den Fünf Tibetern geht es außerdem auch immer darum, im Jetzt zu leben – dieser Gedanke kann im Gefängnis sehr hilfreich sein, wo man innerlich oft verzweifelt und von Langeweile und Wut geplagt ist. Wie fühle ich mich jetzt? – lautet die entscheidende Frage. Ich hab jetzt keinen Hunger, keinen Durst. Niemand trachtet mir nach dem Leben. Entspann Dich also!
Was raten Sie Neueinsteigern?
Ich empfehle, sich Zeit zu lassen und die Übungen zu genießen. Und nicht wie in manchem Buch vorgeschlagen, von Übung zu Übung, Wiederholung zu Wiederholung zu hetzen, bis man bei der Zahl 21 angelangt ist. Es ist kein Sport, also brems Dich! Gut ist, die ersten drei Wochen drei Tibeter hintereinander zu praktizieren und sich anschließend langsam auf fünf Wiederholungen zu steigern. Diesen Zustand kann man dann eine Weile beibehalten. Zehn Minuten am Anfang oder 20 Minuten später reichen völlig aus.
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