Jaaa, wir wissen, dass Ballaststoffe gut sind für den Darm. Die Substanzen aus pflanzlichen Fasern sind zuletzt in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses gerückt. Denn sie können weit mehr, als die Verdauung ganz einfach durch ihr Volumen zu förden: Sie sind das Lieblingsfutter unserer Darmbakterien (auch Mikrobiota genannt), der eigentlichen Stars der vergangenen Jahre. „Inzwischen weiß man, dass die Mikrobiota für das Immunsystem und viele weitere Stoffwechselfunktionen essenziell ist“, sagt Dr. Annett Braune von der Abteilung Gastrointestinale Mikrobiologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke. Es gibt Studien, die einen Einfluss auf Krankheiten wie etwa Asthma, Allergien, Autoimmunerkrankungen oder chronische Entzündungen sowie auf die Stimmung und das Körpergewicht zeigen. Eine gut funktionierende Darmflora verhindert, dass sich krank machende Keime im Darm breitmachen, und sie produziert sogar Nährstoffe, etwa Biotin oder Vitamin B1. Die kleinen Bakterien helfen außerdem tatkräftig bei der Verdauung, manche Stoffe können wir erst mit ihrer Hilfe zerlegen und für uns nutzen. Und, ebenfalls wichtig: Sie legen einen schützenden Film über die Darmschleimhaut. Das kommt ganz besonders Menschen mit nervösem Darm, etwa bei Reizdarmsyndrom, zugute.
Aber muss man Körnerbrot und Frischkornmüsli futtern, um eine gesunde Darmflora zu besitzen? Das ist schließlich nicht jedermanns Sache, auch weil plötzliche Mengen ganzer Körner zu Blähungen und Bauchkneifen führen können. Besser ist es, auf feine Ballaststoffe zu setzen, die in fein gemahlenem Vollkornmehl, in fast allen Gemüsen, in zarten (Hafer-)Flocken oder Hülsenfrüchten wie Linsen oder Kichererbsen stecken. Auch sinnvoll: Die Mengen langsam steigern. Besonders Menschen mit nervösem Darm (Reizdarm) können auf manche Ballaststoffe empfindlich reagieren und sollten eher vorsichtig an die Sache herangehen. Ebenfalls sehr hilfreich für eine gesunde Darmfunktion: gutes Kauen, Essen ohne Hektik, regelmäßige Bewegung und ausreichend Schlaf. Wichtig sei auch, abwechslungsreich zu essen, so Annett Braune: „Eine möglichst vielseitige Ernährung mit vielen verschiedenen Gemüsen, Früchten, Vollkorngetreiden und Hülsenfrüchten fördert die Vielfalt der Bakterienarten. Und je diverser, also vielfältiger die Mikrobiota zusammengesetzt ist, desto besser.“ Dabei gibt es ein paar Lebensmittel, die dem Darm in ganz besonderem Maße guttun. Wir stellen sie vor.
1. Kartoffelsalat, Sushi und Cornflakes enthalten RESISTENTE STÄRKE
Diese besondere Form (genauer: „retrogradierte Stärke“) entsteht beim Erhitzen und anschließenden Abkühlen von Stärke, etwa in Kartoffeln, Reis und Mais. Dabei bildet sich eine kompakte Kristallstruktur, der unsere Verdauungsenzyme nichts anhaben können. Wir können diese Stärke also nicht aufspalten, dafür ernährt sie unsere gesundheitsförderlichen kleinen Mitbewohner im Darm, etwa die Bifidobakterien und Laktobazillen. Bekommen diese ihr Lieblingsfutter, vermehren sie sich und produzieren gesundheitsförderliche Stoffe, die zum Beispiel den Gang zur Toilette anregen, die Darmschleimhaut fit und gesund halten, entzündungshemmend wirken und den pH-Wert im Darm absenken. Damit schaffen sie ein Milieu, also ein „Wetter im Darm“, in dem krank machende Keime schlecht zum Zuge kommen. Gut zu wissen: Die resistente Stärke behält ihre Struktur, wenn abgekühlte Kartoffeln oder Reis wieder erhitzt werden. Deshalb stehen auch Bratkartoffeln und wieder erwärmte Eintöpfe mit auf der Lieblingsessen-Liste des Darms.
2. Topinambur, Artischocken, Chicorée, Spargel und Schwarzwurzeln liefern viel INULIN
Auch diesen speziellen Ballaststoff mögen unsere Mini- Mitbewohner ganz besonders. Genau wie die retrogradierte Stärke verwöhnt er Bifidobakterien und Laktobazillen, sie vermehren sich nachweislich und produzieren ihre tollen Stoffe (siehe Punkt 1). Gut zu wissen: Inulin kann man in Apotheke oder Reformhaus auch als Pulver kaufen und in Joghurt oder Müsli rühren. Expertin Braune gibt jedoch zu bedenken: „Bei einem Pulver ist die Gefahr der Überdosierung groß – bei mehr als zehn Gramm kann es zu ungemütlichen Blähungen kommen.“
3. Joghurt, Sauerkraut und eingelegte Gemüse helfen dank MILCHSÄUREBAKTERIEN
Bei der sogenannten milchsauren Fermentation des Kohls oder der Milch „verdauen“ Milchsäurebakterien die Lebensmittel (auch Kimchi, milchsauer vergorene Gurken oder Kefir gehören dazu) schon einmal vor und machen sie so bekömmlicher. Nebenher produzieren sie wieder tolle Stoffe, etwa Milchsäure, und auch ein Teil der Laktobazillen selbst landet dann in unserem Darm. Das zeigen verschiedene Studien zum Thema Joghurt, etwa eine kürzlich veröffentlichte Übersichtsarbeit der University of Connecticut: Regelmäßiges Joghurt-Löffeln scheint die Darmgesundheit und die Immunantwort zu verbessern und sogar den Appetit zu regulieren. Gut zu wissen: Hitze tötet die Bakterien ab. Naturjoghurt ist nicht wärmebehandelt (außer dies ist auf dem Becher vermerkt), enthält folglich lebende Milchsäurebakterien. Sauerkraut in Dose oder Glas dagegen ist pasteurisiert, also erhitzt. Besser: frisches, nicht erhitztes Sauerkraut (gibt es auf Wochenmärkten, in Reformhäusern oder Bioläden). Oder: Selbst fermentieren, es ist wirklich einfach (siehe Buchtipp).
4. Hafer, Gerste, Äpfel und Möhren tun gut durch BETA-GLUCANE und PEKTIN
Hafer und Gerste enthalten viele Beta-Glucane. Diese komplexen Kohlenhydrate sind ebenfalls Bakterien-Lieblingsfutter (siehe Punkt 1). Zudem bilden sie ein schützendes Gel, das nervöse Mägen und Därme beruhigt. Unter der abschreckenden Bezeichnung „Haferschleim“ kennt es fast jeder, neuerdings ist ganz trendig von „Overnight Oats“ oder „Porridge“ die Rede. Auch Äpfel, Möhren, Aprikosen und Orangen enthalten viele Pektine. Gut zu wissen: Um die Pektine aus Obst und Gemüse optimal zu nutzen, muss man sie aus den Zellen lösen. Das geht am besten, indem man sie fein reibt, püriert oder zumindest ausführlich kaut.
5. Frisch Selbstgekochtes bringt reichlich BALLASTSTOFFE
Wer häufig selbst kocht, konsumiert automatisch deutlich mehr Obst und Gemüse, dafür weniger Fast Food als Selten-Kocher, zeigte erst kürzlich der Ernährungsbericht 2017 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Dadurch ist auch die Zufuhr an hilfreichen Fasern höher, vor allem lassen sich beim Selbstkochen ganz einfach ein paar mehr davon unterbringen: etwa, in dem noch einige Kichererbsen oder Bohnen im Salat oder Eintopf landen oder indem Nudeln ganz oder teilweise durch die Vollkorn-Variante ersetzt werden. Gut zu wissen: Wer selbst kocht, hat zudem weniger Zusatzstoffe auf dem Teller, auch das tut dem Darm gut. Studien lassen beispielsweise vermuten, dass Süßstoffe die Darmflora verändern; Emulgatoren könnten eine ungute Auswirkung auf unsere Mini-Mitbewohner und auf unsere Darmschleimhaut haben, zeigt eine Studie der Georgia State University, USA.
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