Gürtelrose: Wenn das Schmerzgedächtnis nicht vergisst

Wir erklären das Problem des Schmerzgedächtnisses bei Gürtelrose und geben Tipps dazu, was man tun kann, wenn der Körper den Schmerz nicht loslässt.

Gürtelrose: Wenn das Schmerzgedächtnis nicht vergisst

Spätfolge Schmerzen: Das Problem Schmerzgedächtnis bei Gürtelrose und was man dagegen tun kann ©shutterstock/Dmytro Zinkevych

Die Symptome der Gürtelrose sind oft nicht leicht zuzuordnen: Sie fühlen sich unwohl, haben undefinierbare, dumpfe Schmerzen in Brust und Rücken, für die Sie keine Erklärung haben? Sie gehen zum Arzt und dieser tippt, naheliegender Weise, zunächst auf Muskelschmerzen oder gar eine ernsthafte Erkrankung wie Herzinfarkt. Dabei leiden Sie an einer Viruserkrankung, deren romantisch anmutender Name erst einmal über den Ernst der Krankheit hinwegtäuscht: Gürtelrose (Herpes Zoster). Das Tückische: Noch bevor die typischen Hautbläschen der Gürtelrose überhaupt sichtbar werden, können heftige Schmerzen vorangehen.

Gürtelrose: Späte Rechnung der Windpocken

Schuld an Ihren schmerzhaften Beschwerden ist das Varizella-Zoster-Virus. Wer sich das erste Mal mit dem Virus infiziert, bekommt Windpocken – dies ist meistens schon in der Kindheit der Fall. Doch sind die Windpocken einmal verschwunden, ist es das Virus noch lange nicht. Oft schlummert Varizella-Zoster jahrzehntelang in den Nervenknoten des Rückenmarks oder des Gehirns.

Im Normalfall hält das Immunsystem die Viren zurück. Ist Ihre Körperabwehr jedoch geschwächt, zum Beispiel durch eine Krankheit oder starken Stress, kann das Virus wieder aktiv werden und eine Gürtelrose auslösen. Die Erreger, die sich nun vermehren und in Ihre Nervenzellen eindringen, führen zunächst zu teils starken, brennenden Nervenschmerzen. Anschließend wandern die Viren weiter in die Haut. Das Ergebnis: rote Flecken, die sich nach und nach in kleine nässende Bläschen verwandeln. Die Bläschen gruppieren sich häufig in Form eines Gürtels um den Körper – daher auch der Name der Krankheit. Es kann jeden Bereich des Körpers treffen. Werden das Gesicht oder sogar die Augen in Mitleidenschaft gezogen, wird es gefährlich.

Schmerzgedächtnis als Folge

Ist die Diagnose Gürtelrose gestellt, sollte sofort mit der Behandlung begonnen werden. Wird der intensive Nervenschmerz nicht von Beginn an konsequent behandelt, kann er Betroffene im schlimmsten Fall ein Leben lang begleiten.

„Das Gemeine ist, dass die Schmerzen bestehen bleiben können, auch wenn der Hautbefund längst abgeheilt ist“, erklärt die Allgemeinmedizinerin Dr. Kathinka Reller. Die Bremer Ärztin sieht in ihrer Praxis immer wieder Patienten, bei denen die Schmerzen nicht wieder verschwinden. Vor allem ältere Menschen seien gefährdet. So behalten zwischen einem und zwei Drittel der Patienten über 50 Jahre dauerhafte Nervenschmerzen zurück. Dr. Rellers wichtigster Rat ist daher: Sobald die ersten Anzeichen auftreten, sofort zum Arzt! „Es ist dann die Aufgabe des Arztes, dem Patienten zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, den Schmerz direkt konsequent auszumerzen“, so Dr. Reller.

Zu Beginn der Erkrankung kann dem Schmerz gut mit herkömmlichen Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Novalgin und in heftigeren Fällen mit opioiden Schmerzmitteln wie Tramadol Paroli geboten werden. Ist der Schmerz jedoch erst einmal chronisch, sei er äußerst schwer zu behandeln, erläutert Dr. Reller. Experten sprechen hier von einem sogenannten „Schmerzgedächtnis“. Haben Sie starke Schmerzen über einen längeren Zeitraum, merkt sich Ihr Körper dies und reagiert auch dann noch mit Schmerzen, wenn es eigentlich keinen Grund mehr dafür gibt.

Ähnlich wie das Langzeitgedächtnis, das es uns beispielsweise ermöglicht, neue Vokabeln zu lernen und diese dauerhaft abzuspeichern, funktioniert auch das Schmerzgedächtnis. Auch Schmerzen kön- nen Spuren im Gehirn hinterlassen und sich dort regelrecht „einbrennen“. Besonders Nervenschmerzen, wie etwa bei der Gürtelrose oder bei einem Bandscheibenvorfall, seien laut Dr. Kathinka Reller prädestiniert dafür, ein Schmerzgedächtnis auszubilden.

Spezielle Schmerztherapien helfen

Doch was tun, wenn der Schmerz nicht mehr nachlassen will? „Wenn herkömmliche Schmerzmittel nicht mehr helfen, kann eine spezielle Schmerztherapie erforderlich sein“, weiß Dr. Reller. Ziel der Schmerztherapie ist es, das Schmerzgedächtnis zu löschen oder zu überschreiben. Ein sogenanntes multimodales Vorgehen, also eine Kombination verschiedener Therapieansätze, hilft beim Umgang mit dem Schmerz. Dafür müssen Betroffene zunächst einmal verstehen, dass Schmerzen nicht nur durch körperliche Prozesse, sondern auch durch das eigene Verhalten beeinflusst werden. Der Patient lernt, dem Schmerz nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern aktiv etwas dagegen zu tun.

Eine spezielle Verhaltenstherapie hilft zu verstehen, welches Verhalten welchen Einfluss auf die Schmerzintensität hat. Bei welchen Aktivitäten werden die Schmerzen stärker oder schwächer? Beeinflusst die aktuelle Stimmung den Schmerz? In einem Schmerztagebuch können hilfreiche Erkenntnisse festgehalten und anschließend im Alltag umgesetzt werden. Auch wenn es nicht leicht ist: Weniger Stress im Alltag kann auch helfen, dem Nervenschmerz den Garaus zu machen. Manchmal helfen spezielle Entspannungs- und Bewegungstherapien, die Symptome einzudämmen. Einigen Patienten helfen auch Medikamente aus dem neurologischen Bereich, z.B. Gabapentin oder Pregabalin. Da jeder Mensch anders tickt, ist es wichtig, die Therapie individuell an den Einzelnen anzupassen. Eine intensive Betreuung durch einen erfahrenen Arzt ist in jedem Fall das A und O.

Schnell reagieren

Während die Behandlung eines Schmerzgedächtnisses also sehr aufwendig ist, kann man mit einer rechtzeitigen Einnahme von Schmerzmitteln gut und unkompliziert vorbeugen. Ob Rücken, Kopf oder Gürtelrose, Sie tun sich also keinen Gefallen, wenn Sie versuchen, die Schmerzen auszuhalten. Ganz im Gegenteil, eine frühzeitige medikamentöse Behandlung hilft dabei, insgesamt kürzer und damit weniger Schmerzmittel zu nehmen. Dabei ist es oft ausreichend, auf relativ nebenwirkungsarme, rezeptfreie Mittel zurückzugreifen.

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