Nur für den Fall, dass Sie glauben, nach dem Duschen keimfrei zu sein: Sie sind es absolut nicht. Und das ist auch gut so, denn über 10.000 verschiedene Arten von Bakterien, Pilzen und Viren sorgen durch ihre bloße Anwesenheit auf unserer Haut dafür, dass Angreifer von außen – also schädliche Keime – keine Chance haben; unter anderem, indem sie die Hautfette beeinflussen und so zum „Mörtel“ in der Mauer aus Hautschüppchen beitragen. Anhand von Gentests hat man ermittelt, dass bei uns auf jede humane Zelle insgesamt neun Zellen solcher Mikroorganismen kommen. Susan Huse, US-Biologin aus Providence, brachte sogar die Geduld auf, die Arten zu zählen. Bei einem Probanden fand sie 2.363 Bakterienarten hinter dem linken Ohr und 3.632 in der rechten Ellenbeuge.
Hautprobleme sind Bakteriensache
Die Dermatologin Professor Claudia Traidl-Hoffmann untersucht mit ihrem Team an der TU München die Haut von Neurodermitikern, um zu verstehen, ob und wie Mikroben die Krankheit beeinflussen. „Wir wissen, dass der Keim Staphylokokkus aureus eine große Rolle spielt. Er kommt auf gesunder Haut viel seltener vor und verhält sich dort fast immer vollkommen unauffällig. Neue Daten zeigen zudem, dass Neurodermitikern schützende Bakterien fehlen.“ Auch die Hautkrankheiten Akne vulgaris, seborrhoische Dermatitis und Rosacea stehen mit ansonsten harmlosen Mikroben in Zusammenhang. Schon gibt es erste Kosmetikprodukte mit Bakterien: La Roche-Posay etwa vertreibt „Lipikar Baume AP+“, einen Balsam für Neurodermitiker und alle mit gereizter Haut, der die Schutzbarriere angegriffener Haut nachhaltig mit einem Mikroorganismus stärken soll, Annemarie Börlind hat mit „ZZ Sensitive Gesichtsgel“ ein Feuchtigkeitsgel mit Milchsäurebakterien im Sortiment. In den USA gibt es seit Kurzem ein „Mother Dirt“-Bakterienspray. Fans beteuern, damit seltener duschen zu müssen und bessere Haut zu haben. Claudia Traidl-Hoffmann ist allerdings skeptisch. „Das Mikrobiom ist sehr individuell, und es unterscheidet sich je nach Körperregion. Deshalb glaube ich nicht, dass ein Gießkannenprinzip uns weiterbringt.“
Die Keime lieben es reichhaltig
Dagegen zeigen erste Erkenntnisse ihres Teams, dass reichhaltige Wasser-in-Öl-Cremes die Bakterien-Hautbarriere besonders gut regenerieren und schützen. „Langfristig scheinen sie in diesem Punkt sinnvoller zu sein als leichte Emulsionen.“ In normalem Maß verwendet sind aber weder Seife noch Waschgel ein Anlass zur Sorge um die kleinen Gäste. „Selbst wenn man sich die Hände desinfiziert, regenerieren sich die Bakterien innerhalb weniger Stunden“, so die Expertin. Problematisch sind aber etwa silberhaltige Fasern, wie sie in geruchsreduzierender Sportkleidung vorkommen: Regelmäßig getragen, sind sie antimikrobielles Dauerfeuer. „Über einen längeren Zeitraum können wir das Mikrobiom auf unserer Haut negativ beeinflussen“, sagt Claudia Traidl-Hoffmann. Ob und wie Parfümstoffe, Konservierungsmittel und Emulgatoren die Hautbakterien im Einzelnen beeinflussen, weiß man noch nicht. Vor allem das Konservierungsmittel Triclosan steht unter Verdacht, den bakteriellen Schutzwall der Haut zu schwächen. Aber: „Es gibt bisher keine wissenschaftlichen Daten dazu“, so Claudia Traidl-Hoffmann. „Über das Mikrobiom der Haut insgesamt ist noch viel zu wenig bekannt.“ Eines steht aber fest: Je vielfältiger die Bakterien, desto besser für die Hautgesundheit. Schon aus dermatologischer Sicht ist es darum generell sinnvoll, zu kuscheln, zu schmusen und Hautkontakt zu anderen zu suchen.
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