Nicht alles, was im Namen der Religion geschieht, ist gesund: Da gibt es religiöse Gemeinschaften, die das Leben ihrer Mitglied stark reglementieren, es werden Kriege geführt, Terroranschläge geplant. Doch immer wieder besagen Studien, dass religiöse Menschen länger leben und seltener krank werden.
Mönche leben länger
Wie Mönche beispielsweise, die ungefähr drei bis vier Jahre älter werden als der deutsche Durchschnittsmann. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der TU Wien an bayerischen Klöstern zur Sterblichkeit durchgeführt haben.
Auch die Mönche auf dem griechischen Berg Athos in Griechenland werden sehr alt und zeigten sich wenig anfällig für Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Alzheimer. Studienleiter Haris Aidonopoulos von der Universität von Thessaloniki interpretiert die Daten jedoch sehr weltlich. Die Ordensbrüder ernähren sich einfach gesund, so seine Annahme. Denn die von ihm untersuchten Mönche essen überwiegend mediterrane Kost mit einer gut dosierten Menge an Olivenöl, außerdem nehmen sie wenig Fleisch zu sich.
Dass ein Lebensstil, der von Religion oder Spiritualität geprägt ist, gesündere Verhaltensweisen mit sich bringen kann, bestätigt der Psychiater Harold G. Koenig. Koenig leitet an der Duke-Universität in Durham das „Center for Spirituality, Theology and Health“. Dort wertet er Daten aus Studien aus, die sich mit dem Zusammenhang von Religion, Spiritualität und Gesundheit beschäftigen. Ein Beispiel könnten praktizierende Mormonen sein, die in Amerika hauptsächlich im Bundesstaat Utah leben. Ihnen ist der Genuss bestimmter Substanzen verboten, die sich in zumindest größerer Menge schädigend auf die Gesundheit auswirken können: Alkohol. Tabak. Kaffee. Fleisch kommt nur selten auf den Tisch. Der Missbrauch von Drogen wird als Verletzung des Gesundheitskodexes betrachtet.
Religion reduziert Stress
Doch vom Lebensstil abgesehen, gibt es laut Koenig noch einen weiteren Aspekt, der erklärt, warum sich Religion und Spiritualität positiv auf das Leben auswirken können: die Psyche. Denn das Vertrauen in höhere Mächte verringere psychischen Stress. Dabei komme es, so Koenig, nicht darauf an, an welchen Gott man glaube. Aber Glaube bedeutete Gemeinschaft – und wer sich einer Gemeinschaft zugehörig fühle, erlebe weniger soziale Isolation und damit weniger Stress. Dadurch verfügen religiöse Menschen über ein gutes Potenzial zur Bewältigung auch von Krisensituationen.
Studien von dem Professor und Anthropologen Christoph Wulf von der Freien Universität Berlin ergänzen: Dadurch, dass Religionen Antworten auf Grundlagen des Lebens eine Antwort geben, stiften sie Sinn. Das entlaste die Seele.
Kritik
Forscherinnen und Forscher sind sich überwiegend einig im Hinblick auf die positiven Auswirkungen eines gesunden Lebensstils mit mediterraner Kost und wenig Genussmitteln wie Alkohol oder Tabak. Inwiefern sich der Glaube gesundheitsfördernd auswirkt, darf jedoch hinterfragt werden. In vielen Studien, insbesondere in solchen, die in den konservativen Staaten von Amerika durchgeführt werden, sind die Teilnehmenden möglicherweise vorselektiert. Harold G. Koenig forscht im amerikanischen Bible Belt, einem stark evangelikal geprägtem Gebiet. Negative Ergebnisse schaffen unter Umständen nicht den Weg in die Öffentlichkeit. Raphael Bonelli, der zusammen mit Koenig geforscht hat, ist ein Psychiater aus Wien. Er unterscheidet zwei Arten von Religion – und mit ihnen zwei Arten möglicher gesundheitsrelevanter Auswirkungen: die extrinsische und die intrinsische Religion. Während die intrinsisch motivierte Ausübung aus eigenem Antrieb heraus erfolge, sei bei der extrinsisch geprägt ein äußerer Druck im Spiel. In die Kirche gingen extrinisisch religiöse Menschen vor allem, weil sie beim Fernbleiben Konsequenzen fürchten. Eine extrinsische Religion könne mitunter schädlich für die Gesundheit sein, so Bonelli.
Meditieren hilft
Meditieren gilt nicht als religiöse Praxis, auch wenn Mitglieder vieler Religionen die Technik des Verharrens in Stille und Einkehr anwenden. Die Wirkung des Meditierens wirkt sich aber messbar auf die Gesundheit aus. Mithilfe von Hirnscans konnten Neurowissenschaftler zeigen, dass Meditation bestimmte Bereiche im Gehirn wachsen lässt. Das Angstzentrum soll durch regelmäßiges Meditieren verkleinert werden. Außerdem fanden Wissenschaftler eine Verdichtung grauer Substanz im Gehirn regelmäßig meditierender Menschen vor – eine Struktur, die umgekehrt bei Dauerstress durch einen hohen Cortisolspiegel im Blut geschädigt werden kann. Je mehr graue Substanz, desto besser geht es folglich der Gesundheit.
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