Bewegung macht schlau

Immer mehr Studien zeigen: Sich in Aktion zu versetzen, verjüngt das Gehirn und verbessert das Denken

Bewegung macht schlau

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Abnehmen, fit werden, Muskeln aufbauen – neben all den bekannten Gründen, Sport zu treiben, gibt es ein weiteres schlagendes Argument: Bewegung macht schlau. Der Effekt geht weit hinaus über das Gefühl, den Kopf beim Laufen klar zu kriegen. Wie sehr, zeigt sich erst in letzter Zeit. Schon 18- bis 30-Jährige, die sich mehr als zweieinhalb Stunden pro Woche bewegen, sind im Gehirn schneller als gleichaltrige Couch-Potatoes, so eine aktuelle Studie aus Kalifornien. Und auch in einer Langzeituntersuchung der Universität Göteborg schnitten körperlich fitte 18-jährige Männer bei Intelligenztests um bis zu 15 Punkte besser ab als eher träge Gleichaltrige. Obendrein erkrankten diese Probanden später seltener an Demenz. Aber auch im fortgeschrittenen Alter lässt sich viel erreichen: An der Universität Bremen trainierten Frauen und Männer zwischen 65 und 75 Jahren ein Jahr lang dreimal pro Woche 60 Minuten. Nach einem Jahr hatten sich ihre kognitiven Leistungen im Schnitt erheblich verbessert. Doch nicht jeder Sport wirkt sich gleich gut aufs Gehirn aus. Im Rahmen der Bremer Studie ging eine Gruppe zum Nordic Walking, eine nahm an Koordinations- und Gleichgewichtstraining teil, und die dritte absolviere Stretching- und Entspannungsworkouts. In der Koordinationsgruppe nahm vor allem die visuell-räumliche Aufmerksamkeit zu, und die Nordic Walker lösten Denksportaufgaben in kürzerer Zeit. Dehnen und Relaxen hatten jedoch keinerlei Auswirkungen aufs Gehirn.

Strukturen im Kopf verändern sich

Der Sport sollte also durchaus fordern. Doch wie genau profitiert der Kopf von der Bewegung? Zunächst fördert die Belastung die Durchblutung des Gehirns, anfangs steigt sie um 20 Prozent, und dieser Wert nimmt je nach Intensität und Anzahl der beteiligten Muskeln zu. Zudem setzt Anstrengung sogenannte Neurotrophine frei – Stoffe, die für die Entstehung und Verbindung der Nervenzellen sorgen. Eines davon ist das Eiweiß BDNF („Brain-derived neurotrophine factor“), ohne das das Gehirn keine neuen Nervenzellen bilden und diese auch nicht miteinander verknüpfen kann. Eine Studie der University of Pittsburgh bewies, dass die Neubildung und Verknüpfung auch bei Senioren noch gut funktioniert. Selbst wenn diese vorher kaum oder nie Sport getrieben hatten, genügten drei stramme Spaziergänge pro Woche, um einen Teil des Hippocampus, der sowohl für das Kurz- als auch das Langzeitgedächtnis wichtig ist, um zwei Prozent wachsen zu lassen. Das entspreche einer geistigen Verjüngung von rund zwei Jahren, so die Wissenschaftler. Dass man jetzt verstärkt über den Effekt von Sport auf das Gehirn spricht, hat auch mit Technologie zu tun. „Viele Erkenntnisse wurden erst durch bildgebende Verfahren möglich“, erklärt Prof. Dr. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln. „Per Magnet-Resonanz-Tomografie kann man ins Gehirn schauen.“ Solche Geräte nutze man seit gut zehn Jahren, während man das Herz-Kreislauf-System schon viel länger genau untersuchen könne. Damit das Gehirn bestmöglich profitiert, rät der Sportwissenschaftler allen Läufern: „Variieren Sie nach einer Weile Strecke, Distanz oder Tempo, der Kopf braucht für neue Nervenzellen und deren Verknüpfung regelmäßig neue Reize.“ Am besten legen Sie noch heute los. Denn bereits ab 30 Jahren schrumpft der besagte Teil des Hippocampus – sofern er nicht gefordert wird – pro Jahr um ein Prozent.

Balancieren bringt mehr als Kreuzworträtsel

Aber schon viel früher im Leben spielt Bewegung eine große Rolle für den Kopf. Gerade in den ersten sechs Lebensjahren gehe es darum, die vorhandenen Nervenzellen auszudifferenzieren und miteinander zu verknüpfen, so Froböse. „Die Motorik ist dabei der wichtigste Stimulus. Sprich: Das Kleinkind reift durchs Krabbeln, Aufstehen und Dinge-Erreichen.“ Später kommen Springen, Hüpfen und Ballspielen hinzu – wichtige Faktoren für die Entwicklung der Intelligenz. Tobe- und Kletter-Verbote sind also ziemlich dumm. Froböse rät den Erwachsenen vielmehr mitzumachen: „Spielen Sie mal wieder Hüpfekästchen oder balancieren Sie auf einer Mauer! Das bringt der geistigen Fitness mehr als jedes Kreuzworträtsel.“

 

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