Hormone: Warum haben sie eine große Macht? – Interview mit Heilpraktikerin Katia Trost

Hormone werden an unterschiedlichen Stellen im Körper gebildet und können bei Störungen erhebliche Probleme verursachen. Ein Interview.

Hormone: Warum haben sie eine große Macht? – Interview mit Heilpraktikerin Katia Trost

Hormone ©iStock/VectorKIF

Hormone sind chemische Botenstoffe, die wie Signale wirken und über den Blutkreislauf transportiert werden. Welche Rolle nehmen sie in der Naturheilkunde ein?

Die Naturheilkunde geht davon aus, dass ein Körper nur dann wirklich heilen kann, wenn seine Selbstheilungskräfte aktiviert werden. Diese Selbstheilungskräfte werden dabei, je nach Heiltradition, als Lebenskraft benannt oder als Qi, Prana oder Orgon. Unsere Hormone sind dabei nichts anderes als die Träger dieser Kräfte in biochemischer Hinsicht. Sie sind die Schnittstelle zwischen physischer Existenz und energetischen Strukturen, also zwischen Körper, Geist und Seele.

Können Sie mir ein typisches Beispiel für eine Hormonfalle nennen – also ein Ungleichgewicht zwischen den Hormonen im Körper?

Viele Frauen leiden innerhalb der zweiten Hälfte ihres Zyklus‘ unter einer Östrogendominanz. Bei ihr überwiegt das weibliche Geschlechtshormon im Vergleich zum Progesteron, das nach dem Eisprung im verstärkten Maß gebildet werden sollte. Das Verhältnis der beiden Hormone befindet sich also nicht mehr im Gleichgewicht. Oftmals kommt es dann zu Unterzuckerungen mit Schwindel, Heißhunger und Konzentrationsstörungen. Und zwar selbst dann, wenn man eine ausreichend vollwertige Mahlzeit zu sich genommen hat. Letztlich sind Unterzuckerungen biochemisch die Grundlage einer jeden Hormonstörung und insbesondere die Ursache der Nebennierenerschöpfung – weil die Nebennieren versuchen, den Blutzuckermangel auszugleichen.

Was bringt eine Nebennierenschöpfung mit sich?

Müdigkeit, und bei Frauen kommen unregelmäßig lange oder verkürzte Zyklen vor, Eisprünge bleiben aus, und die Schilddrüse arbeitet nicht richtig. Langfristig verlagert sich bei einem gestörten Glukosestoffwechsel Kalzium aus den Knochen und Zähnen ins Gewebe. Dort sorgt es für Verkalkungen, also für Gallensteine, Nierensteine, Überbeine, Arterienverkalkung, Haarausfall, Gelenksteifigkeit. In den Knochen und Zähnen fehlt es fortan, Osteoporose und Karies können die Folge sein.

Wie sieht ein Weg aus einer solchen Hormonfalle aus?

Ganz wichtig ist, nicht mit Zucker dagegen zu steuern – auch wenn so vielleicht der erste Impuls aussieht. Aber das konserviert das Problem. Zu Zucker zählt auch Obst und Alkohol. Diese Produkte sollten eine Weile lang vermieden werden. Stattdessen muss man Eiweiß essen, am besten zu jeder Mahlzeit. Und wenn Kohlenhydrate verzehrt werden, sollten sie komplex sein. Das heißt: Stärke statt Zucker, Vollkorn anstelle von Weißmehl. Der Verzicht auf Kaffee hilft. Genauso regelmäßige Mahlzeiten – und zwar selbst dann, wenn man subjektiv keinen Hunger hat. Fehlendes Hungergefühl deutet auf eine Überaktivität der Nebennieren hin.

Sie sind selbst einmal in eine Hormonfalle getappt.

Ja. Damals war ich 25 und hatte mich für eine Verhütung mit einem Monatsring entschieden. Er sollte, so hieß es, ausschließlich lokal Hormone freisetzen, um einen Eisprung innerhalb des Zyklus‘ zu verhindern. Heute weiß ich, dass Hormone nie nur lokal wirken. Warum sollte sich ansonsten mit Progesteroncremes, die auf die Unterarme aufgetragen werden, den Hormonhaushalt ausgleichen lassen? Kurz nach dem Einsetzen entwickelte ich dann auch am ganzen Körper wirklich starke Symptome. Ich litt unter Schweißausbrüchen, nahm an Gewicht zu, und war in jeglicher Hinsicht lustlos und müde – was nicht gerade schön ist, wenn man gerade frisch verliebt ist und mitten in Uni-Prüfungen steckt, ich habe damals Jura studiert. Außerdem hatte ich, völlig untypisch für mich, ständig Heißhunger auf Süßes. Für mich standen die Symptome ganz klar in Zusammenhang mit den Hormonen, die ich mir durch den Monatsring künstlich zugeführt hatte.

Sind Ihre Symptome verschwunden, nachdem Sie den Hormonring entfernt haben?

Leider nicht. Viele blieben in abgeschwächter Form bestehen. Auf der Suche nach Linderung habe ich die Erfahrung gemacht, die viele Patientinnen und Patienten in meine Praxis führt: nämlich die, dass die Schulmedizin nicht immer weiterhelfen kann.

Anstatt als Anwältin zu arbeiten, haben Sie eine Aus- und Weiterbildung zur Heilpraktikerin absolviert und sich auf die Therapie hormoneller und stoffwechselbedingter Störungen spezialisiert. Mit welchen hormonell bedingten Beschwerden kommen die Menschen hauptsächlich in Ihre Praxis?

Bei Frauen sind es oftmals ganz klassische Hormonstörungen wie Regelbeschwerden, ein unerfüllter Kinderwunsch oder Beschwerden in den Wechseljahren. Bei Männern sind es häufig chronische Erschöpfungszustände oder Burn-Out. Bei Frauen natürlich genauso. Außerdem sind Nahrungsmittelintoleranzen ein großes Thema. Und viele haben überdies subjektiv das Körpergefühl, etwas stimme nicht. In meinen Behandlungen versuche ich den Balancehaushalt ohne naturidentische Hormone durch eine veränderte Ernährung und ein Auffüllen der individuellen Nährstoffdepots wieder herzustellen. Ein solches Gleichgewicht ist in aller Regel möglich, solange der Mensch noch über die hormonproduzierenden Organe verfügt, also beispielsweise über Eierstöcke oder die Bauchspeicheldrüse.

Woher nehmen Sie Ihr Wissen?

Ich greife einerseits auf sehr altes Wissen zurück. Die Ureinwohner Nordamerikas wussten beispielsweise bereits, wie sie ihre Nebennieren unterstützen konnten. Und sowohl in der traditionellen Medizin der Chinesen als auch in unserer traditionellen europäischen Medizin, beispielsweise nach Hildegard von Bingen, sind solche Zusammenhänge bekannt und lassen sich studieren. Andererseits habe ich mich ausführlich mit den Ausführungen von Dr. Hans Selye, dem Urvater der Stressforschung, beschäftigt. Genauso wie mit den Pionieren der Hormonforschung wie Dr. Broda Barnes und auch Dr. John Lee. Sehr viel habe ich von dem Biochemiker Dr. Ray Peat gelernt. Aber auch Forscher, die sich eher mit dem Nervensystem beschäftigen, haben mir entscheidende Impulse geliefert, beispielsweise Dr. William Walsh, der zur Epigenetik und zu Neurotransmittern forscht. Oder Dr. Sally Goddard Blythe zum Thema frühkindliche Reflexe.

Wie nähern Sie sich dem Thema in Ihrem Buch

Ich schildere aus unterschiedlichen Perspektiven, dass es bei Hormonstörungen um einen Energiemangel und um blockierte Energien geht. Stress ist die Kraft, die solche Störungen im Organismus auslöst. Außerdem gehe ich darauf ein, welche Hormone bei welchen Krankheiten beteiligt sind – bei Migräne beispielsweise oder bei Libidoverlust. Außerdem vertiefe ich die Frage, welche Funkionen Nährstoffen zukommen.

Wie lange dauert es, bis bei Hormonstörungen Heilung eintritt?

Bei ganz leichten Fällen würde ich von einem Jahr ausgehen. Bei schwereren Fällen muss man mit ungefähr drei Jahren rechnen. Das ist lange, und die Betroffenen benötigen einen langen Atem und eine hohe Motivation, sich und ihre eingefahrenen Lebensgewohnheiten zu ändern. Indem sie ihre Ernährung umstellen und darauf achten, dass sie beispielsweise genug schlafen und Stress minimieren. Sie müssen dahin, wo es auch mal unbequem wird. Aber der Einsatz wird belohnt. Mit Hormonen in Balance – und das bedeutet Wohlbefinden und Gesundheit.

Katia Trost

Katia Trost

Katia Trost ist seit vielen Jahren Heilpraktikerin sowie Therapeutin und auf hormonelle Balance spezialisiert. Aufgrund Ihrer eigenen Lebensgeschichte sah sie sich gezwungen ihr einstmals gravierendes hormonelles Problem selbst in die Hand zu nehmen. Dabei hat sie ein Behandlungskonzept entwickelt, das ganzheitlich ist und auf die Selbstregulation des Körpers im hormonellen Bereich abzielt. Sie führt in Hamburg eine ursachenbasierte Praxis in welcher hormonelle Störungen als komplexes und systemisches Thema verstanden und behandelt werden. Im April erscheint ihr Buch „Wege aus der Hormonfalle. Hormonelle Balance statt Hormontherapie“.

Beitragsbild ©iStock/VectorKIF

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