Die so gesund-Redaktion sprach mit Sophie Rosentreter über ihre Arbeit mit Menschen mit Demenz.
Sophie Rosentreter, Sie bezeichnen sich als Demenz-Aktivistin – ist das eine Lebensaufgabe?
Sophie Rosentreter (S.R.): Die Bezeichnung Demenz-Aktivistin kommt eigentlich nicht von mir, aber ich nehme sie sehr gerne an, und ja, es ist eine Lebensaufgabe. Ich fühle mich jetzt in einem Beruf so wohl wie nie zuvor, ich habe quasi meine Berufung gefunden. Der Weg dahin war ein steiniger, und auch schmerzhafter Weg, aber so sind wir Menschen einfach. Wenn es tiefe Einschnitte in unserem Leben gibt, gehen wir meistens gestärkt daraus hervor. Mich hat damals die Krankheit meiner Großmutter auf diesen Weg gebracht.
Gibt es für Sie so etwas wie den schönsten Moment in Ihrem Engagement?
S.R.: Es gibt zahlreiche Momente der Begegnung, aber ganz konkret fällt mir eine Begegnung ein, in einem Heim, in dem ich vor etwa einem halben Jahr war. Ich nehme mir immer die Zeit, in den Heimen, die ich besuche, verloren zu gehen, zu schlendern. In diesem Fall bin ich an einem Raum vorbeigekommen, in dem zwei Menschen in Rollstühlen saßen. Ein Mann, der nicht mehr so schön aussah – ihm lief Speichel aus dem Mund, roch etwas. Er starrte die Decke an und war einfach ganz weit weg. Ich bin zu ihm gegangen, habe seine Hand genommen und ihn einfach angelächelt. Ich hab mich leise vorgestellt, wobei wichtiger als die Worte der Klang der Stimme ist. Und dann, wie ein Wal aus den Tiefen des Ozeans, tauchte er auf und sah mich an. Er hat, ohne sich viel zu bewegen, meine Hand genommen und lachte, und wir strahlten uns an. Das ganze dauerte vielleicht fünf Minuten, aber es hat für die Begegnung gereicht. Momente dieser Art gibt es viele, und es sind Momente, die mich als Mensch bereichern.
Ihre Arbeit und Ihr Engagement konzentrieren sich ganz auf das Thema Demenz – was wünschen Sie sich als ein Ergebnis dieser Arbeit in sagen wir zehn Jahren?
S.R.: Mir ist es wichtig, für eine Gesellschaft zu kämpfen, die das ‚wir‘ an erste Stelle stellt, in der die Gefühlswelt wieder mehr in den Vordergrund tritt. Genau das können wir von Menschen mit Demenz lernen. Außerdem wünsche ich mir, dass das Ehrenamt für uns eine Selbstverständlichkeit wird. Richard David Precht hat dazu mal vorgeschlagen, dass jede Person beim Eintritt und beim Austritt aus der Berufswelt ein Jahr ehrenamtlich tätig sein sollte. So etwas würde ich voll und ganz unterschreiben. Ohne Ehrenamt wird unsere Zukunft nicht gestaltbar sein.
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