Christiane, wie bist du zu den Tassen gekommen?
Ich hatte einfach während des ersten Lockdowns mehr Zeit – wie alle. Ich hab mehr Brot gebacken – wie alle. Und als wir eine Familie aus Berlin zu Besuch hatten mit einer kleinen Tochter, habe ich mit dem Mädchen angefangen, wild zu töpfern. Das hat so einen Spaß gemacht, dass ich, nachdem ich drüber geschlafen hatte, zu den Freunden und meinem Mann gesagt habe: Ich töpfere weiter. Und weil es dann so viele so viele Tassen geworden sind, verkaufe ich inzwischen auch welche.
Dann ist aus der Krise etwas gutes entstanden.
Ja, es war aber auch ein historisches Loch. Alle hatten plötzlich Zeit. Das war wie ein Geschenk. Man konnte die Sachen machen, über die man zuvor immer gesagt hatte: mach ich irgendwann! Es haben ja tatsächlich viele Leute angefangen zu schreiben, zu nähen, was auch immer. Das ist die positive Seite. Eine Chance, die man für sich wahrnehmen konnte.
Das besonders schöne an deinen Tassen ist, dass man auf ihnen richtige Finger- und Daumenabdrücke sieht. Wie stellst Du sie her?
Ich knete die Tassen. Und zwar, indem ich mir eine Rolle nehme, mit dem Daumen ein Loch hineinbohre, und dann ziehe ich die Seiten der Tasse langsam hoch. Dadurch sind die Daumen- und Fingerabdrücke zu sehen und zu spüren. Genauso soll es sein, es passt, wie ich finde, gut in die Zeit der Pandemie, in der wir alle unsere Kontakte reduzieren müssen. Wenn man dann einen warmen Kaffee aus einer Tasse trinkt, die so uneben ist, und in der man den Abdruck eines Menschen spürt, hat das etwas sehr beruhigendes, finde ich.
Was besonders auffällt, sind die verschnörkelten Henkel.
Ich war ja mal Bühnenbildnerin. Das heißt, ein bisschen kenne ich mich aus – und es macht Spaß, alles miteinander zu mischen. Geknautschte Henkel oder die, die über den Rand gehen – ich glaube, das kenne ich letztlich von Royal Kopenhagen. Da gibt es einen Henkel, der so über den Tassenrand hinausragt. Meine Mutter hatte die Tassen, und ich fand sie immer so schön.
Würdest du Töpfern als meditativ beschreiben?
Auf jeden Fall ist es so, dass man total drin versinkt. Man macht eine Tasse, und die Hände sind beschäftigt – es ist wie beim Stricken. Und man denkt nicht so viel. Mir hat es sehr geholfen, die ganzen Ängste und Gedanken, die sich in Zusammenhang mit der Pandemie bei mir eingestellt haben, loszulassen. Es beruhigt. Alles andere wird unwichtig. Man macht einfach eine Tasse. Fertig.
Kann diese eigentlich meditative Tätigkeit auch in Stress ausarten – zum Beispiel, wenn man sehr viele Tassen herstellt?
Ich denke, es kommt wie immer im Leben auf die Balance an. Ich habe immer von allem ein bisschen gemacht und alles miteinander vermischt. Ich bin ja auch irgendwann aufs Land gezogen, weil ich Kartoffeln anbauen wollte. Meine Freunde in Berlin haben mich damals ausgelacht: „Die Kartoffeln kannst du doch auch im Biomarkt kaufen!” Aber ich wollte es selbst machen, und die ersten Kartoffeln von meinem eigenen Acker habe ich dann nach Berlin geschickt. Es hat sich bei mir als hilfreich erwiesen, mehrere Standbeine zu haben.
Denkst du, dass du zu den Tassen gekommen bist, hängt auch damit zusammen, dass du auf dem Land lebst?
Ich glaub, in Berlin hätte ich das auch gemacht. Da hatten wir damals zum Beispiel keinen Balkon, und wir haben aber für die Katze einen Außenbalkon mit einem Draht gebaut und ein bisschen Schnittlauch gepflanzt. Ich glaube, beim Selbermachen geht es um ganz ursprüngliche Dinge. Man möchte wissen, wo das Essen herkommt oder es selbst herstellen. Oder den Teller machen, von dem man isst. Ich neige sowieso dazu und möchte alles mögliche selbst herstellen. Ich hab auch die Fliesen in unserem Bad bemalt und den Fußboden verlegt. Es erdet, wenn man die Sachen nicht einfach kauft, sondern selbst macht.
Wie entspannst du im Alltag?
Ich fahre gerne Fahrrad oder arbeite im Garten. Und ich backe auch total gerne. Aber wenn hier nicht so viele Leute sind, für die man backen kann – meine beiden Söhne sind ja schon groß – dann kann man töpfern. Das wird auf jeden Fall nicht schlecht.
Das Interview können Sie in einer Langfassung auch hören.
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