Nahrungsmittelunverträglichkeit, Laktoseintoleranz, Zöliakie, Allergie? Bei so vielen Begriffen kann einem schnell schwindelig werden. Kein Wunder, dass der Absatz von Lebensmitteln boomt, die auf der Verpackung das Etikett „Frei von …“ aufgedruckt haben, wie glutenfreie Pizza oder laktosefreier Schinken. Auch wenn ein geschärftes Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung eine Errungenschaft ist, stellt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) nüchtern fest: „Immer mehr Menschen greifen zu Lebensmitteln, die frei von Gluten oder Lactose sind – ohne dass eine medizinische Notwendigkeit besteht.“
Aus medizinischen Gründen zwingend und auf Dauer auf Lebensmittel verzichten: Das müssen nur Menschen, die an einer Nahrungsmittelallergie leiden oder an Zöliakie. Im Fall der Allergie stuft das Immunsystem kleinste Mengen harmloser Stoffe in der Nahrung (Eiweiße) irrtümlicherweise als „gefährliche Fremdkörper“ ein. Die Folge: allergische Reaktionen. Sie können auftreten, wenn man Kuhmilch, Nüsse, Obst oder Hühnereier konsumiert.
Lebensmittelallergien und Zöliakie: Nur drei Prozent betroffen
Die Zöliakie ist eine Autoimmunkrankheit, bei der das Immunsystem eine Masse an Antikörpern gegen Gluten bildet: Das ist ein Getreideeiweiß, das etwa in Weizen, Roggen oder Hafer vorkommt. Diese Antikörper greifen die Zellen des Dünndarms an und auf Dauer den Organismus insgesamt. Da Zöliakie nicht heilbar ist, müssen Betroffene eine lebenslange, streng glutenfreie Ernährung einhalten. Allergie und Zöliakie: So massiv diese Körperreaktionen sich anfühlen, so selten treten sie statistisch gesehen auf. Von echten Lebensmittelallergien sind nach Zahlen der AOK rund zwei Prozent der Erwachsenen betroffen. An Zöliakie leidet laut DGE kaum ein Prozent der Bevölkerung.
Wesentlich häufiger als Allergien und Zöliakie treten Nahrungsmittelunverträglichkeiten auf. Sie können die Lebensqualität beeinträchtigen, erreichen aber nicht deren Krankheitswert. „Bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit – oft auch Intoleranz genannt – löst das Nahrungsmittel zwar keine Reaktion des Immunsystems aus, aber der Körper ist nicht in der Lage, dieses Nahrungsmittel zu verdauen“, sagen Ernährungsexperten der AOK.
Laktoseintoleranz: Platz 1 der Unverträglichkeiten
Beispiel: Laktoseintoleranz, die häufigste Form von Nahrungsmittelunverträglichkeit in Deutschland. Sieben Prozent der Befragten gaben in einer Ernährungsstudie der Techniker Krankenkasse (TK) an, keinen Milchzucker zu vertragen. Lactose ist ein Zweifachzucker aus Milchprodukten, der zur Verdauung im Dünndarm vom Enzym Laktase aufgespalten wird. Personen mit Laktose-Unverträglichkeit aber mangelt es an Laktase – mit der Folge, dass der konsumierte Milchzucker als Ganzes in den Dickdarm gelangt und dort vergärt. Dabei entstehen Gase, die die typischen Symptome verursachen: Blähungen oder Bauchkrämpfe nach den Mahlzeiten, chronischen Durchfall, Müdigkeit. Eine weitere, ähnliche Form von Unverträglichkeit ist die von Fruchtzucker (Fructose).
Die Menge macht das Gift
Die gute Nachricht ist: Anders als bei Allergien und Zöliakie ist man bei einer bloßen Unverträglichkeit nicht dazu verdammt, auf liebgewonnene Nahrungsmittel für immer zu verzichten. Oft genügt es, die konsumierte Menge zu reduzieren, nach der Devise „die Menge macht das Gift“. Hat man den Verdacht, dass man Milchzucker nicht verträgt, empfehlen Ernährungswissenschaftler, zwei Wochen lang laktosehaltige Lebensmittel zu meiden. In dieser Zeit kann sich die Darmflora erholen, die Beschwerden gehen in der Regel zurück. Nach Ende dieser Abstinenzzeit kann man Schritt für Schritt wieder laktosehaltige Lebensmittel zu sich nehmen und selbst erforschen, in welcher Menge Milchzucker für den eigenen Körper verträglich ist. „Die Beschwerden lassen sich gut mit Ernährung reduzieren“, heißt es in einem Ratgeber der AOK.
Empfohlen wird, auf Milchprodukte so gut es geht zu verzichten – und zwar von allen Säugetieren, denn entgegen landläufiger Laienempfehlung enthalten Ziegen- oder Schafsmilch ebenfalls Laktose. Laktosefreie oder pflanzliche Produkte können hier eine Alternative sein. Um bei Verzicht auf Milch den Kalziumbedarf zu decken, eignet sich kalziumreiches Mineralwasser (mit über 150 Milligramm Kalzium pro Liter). Gute Kalziumlieferanten sind Grünkohl, Brokkoli und Lauch oder Obstsorten wie schwarze Johannisbeeren, Brombeeren und Kiwis. Wer manchmal oder längerfristig nicht verzichten möchte, für den können Tabletten eine Option sein, die mangelnde oder fehlende Körperenzyme kompensieren.
Laktoseintoleranz oder nicht? Wie der Arzt es herausfindet
Wer auf die Gewissheit wert legt, ob eine Laktoseintoleranz vorliegt oder nicht, dem bleibt der Weg zum Arzt. Eine gängige Methode zur Diagnostik ist der sogenannte H2-Atemtest, bei dem nach der Aufnahme von Laktose der Wasserstoffgehalt im Atem gemessen wird. Liegt eine Laktose-Unverträglichkeit vor, entstehen durch die Vergärung des Milchzuckers im Darm größere Mengen an Wasserstoff. Zusätzlich kann ein Bluttest gemacht werden.
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