Frau Professor Lippke, wissen die Menschen, wie man sich richtig die Hände wäscht?
Wir führen seit November eine Online-Befragung durch, in der es unter anderem um Handhygiene geht, und hier haben wir in der Vergangenheit festgestellt, dass viele Aspekte zum Thema Händewaschen nicht so bekannt waren, wie es eigentlich der Fall sein sollte. Viele dachten, es reicht, wenn man sich die Hände gut wäscht. Aber wie lange und wie genau, war weniger bekannt. Richtig ist, sich die Hände ungefähr 20 bis 30 Sekunden lang mit warmem Wasser und Seife in wirklich allen Falten zu waschen.
Hat sich das Wissen um die richtige Handhygiene durch Corona verbessert?
Ja, das zeigen unsere Daten. Die meisten Menschen wissen jetzt durchaus, dass Hände waschen wichtig ist und genauso dass man sich vor und nach einem Besuch im Krankenhaus die Hände desinfizieren sollte. Aber es gibt immer noch viele Unsicherheiten. (Hier finden Sie die Regeln zum Händewaschen in den Zeiten des Coronavirus.)
Zum Beispiel?
Den wohl meisten ist klar, dass man sich die Hände waschen soll, wenn man vom Einkaufen nach Hause kommt. Weniger klar scheint zu sein, dass man auch nach dem Auspacken der Einkaufstüten die Hände waschen muss. Und zwar genauso gründlich wie das erste Mal. Für Verwirrung sorgt außerdem das Thema Handschuhe. Wenn ich beim Einkaufen Handschuhe trage und mir damit ins Gesicht fasse, ist es genau das Gleiche, als wenn ich keine Handschuhe trage. Dadurch können Viren und Keime an die Schleimhäute gelangen – und das ist es ja, was man vermeiden möchte, um die Ausbreitung des Coronavirus’ zu stoppen.
Sie beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Einsamkeit. Wie kommen Sie auf das Thema Handhygiene?
Ich betreue ein Forschungsprojekt, mit dem wir herausfinden wollen, wie wir die Kommunikation zwischen Pflegenden, Ärztinnen und Ärzten und den Patienten erhöhen können. Entsprechend richtet sich unsere Online-Befragung an Menschen, die entweder als Pflegekraft im Krankenhaus arbeiten oder an solche, die als Patient oder Angehöriger in den vergangenen fünf Jahren ein Krankenhaus besucht haben. Mit der Befragung erfassen wir verschiedene Themen. Es geht um Kommunikation und Gefühle von Einsamkeit, aber eben auch um Handhygiene.
Mit Corona hat Ihr Forschungsprojekt also ursprünglich nichts zu tun.
Nein, es passt jetzt nur sehr gut in die Zeit. Der Grund, warum wir uns mit Handhygiene beschäftigen, liegt an den Infektionen mit multiresistenten Keimen im Krankenhaus. Man darf nicht vergessen, dass die Hauptursache, an denen Menschen sterben, nach wie vor koronare Herzerkrankungen sind, also Herzinfarkt oder Schlaganfall. Außerdem Krebs. Selbst wenn wir all diese Krankheiten gut in den Griff bekommen, stellen die multiresistenten Keime eine große Gefahr dar. Wenn jemand etwa mit etwa Herzproblemen ins Krankenhaus eingeliefert und sehr gut behandelt wird und sich auf dem Weg der Genesung dann aber mit einem multiresistenten Keim infiziert, kann es sein, dass er den Folgen einer Ansteckung durch diese Keime schwer beeinträchtigt wird oder gar verstirbt (Anm. d. Red.: hier mehr Informationen im so gesund-Artikel zur Antibiotikaresistenz). Schätzungen des Robert-Koch-Instituts zufolge kostet es in Deutschland jährlich bis zu 20 000 Menschen das Leben. Handhygiene ist hier eine ganz zentrale Prävention – ein Schutz vor Keimen.
Warum ist die Handhygiene auch beim Tragen eines Mund-Nase-Schutz so wichtig?
Der Mund-Nase-Schutz soll andere und einen selbst vor einer Übertragung mit Tröpfcheninfektion schützen. Das Tragen einer Maske dient also dazu, Erreger, die durch Tröpfen verteilt werden, nicht in die Umgebung gelangen zu lassen. Ein Mund-Nasen-Schutz bringt aber nur etwas, wenn ich ihn richtig anwende. Absolut sinnlos ist es, wenn ich mir die Maske überstülpe und anschließend mit ungewaschenen Händen immer wieder daran rumziehe. Denn dann sind die Viren oder Keime überall. Aber wer es schafft, sich aufgrund der Maske nicht mehr wie gewohnt ins Gesicht zu fassen, der minimiert die Selbstansteckung. Außerdem ist es solidarisch, wenn alle eine Menschen einen Mund-Nase-Schutz tragen und damit der Stigmatisierung von denjenigen entgegenwirken, die ihn tragen, weil sie zur Risikogruppe gehören: Wir schaffen damit eine neue Normalität, in der es selbstverständlich ist, immer Mund-Nase-Schutz zu tragen und sich häufig die Hände zu desinfizieren beziehungsweise zu waschen.
Wie zieht man einen Mund-Nase-Schutz richtig aus?
Vorsichtig. Man sollte nach Möglichkeit vor allem darauf achten, die Außenfläche nicht zu berühren, wo sich Keime befinden könnten. Nach dem Ausziehen gilt es die Hände gründlich zu waschen oder, wenn ich unterwegs bin, sollte ich sie desinfizieren. Bei mehrfach zu tragendendem Mund-Nase-Schutz kann ich die Maske in der Waschmaschine waschen oder auf dem Herd in einem Wasserbad fünf Minuten auskochen. Danach richtig trocknen. Am besten mehrere Schutzmasken mitnehmen, so dass immer mal eine neue, trockene aufgesetzt werden kann.
In Ihrer Befragung beschäftigen Sie sich ja in erster Linie mit der gelungenen Kommunikation zwischen Patienten und dem medizinischen Fachpersonal. Welche Tipps haben Sie für Menschen, die sich auf ein Arztgespräch vorbereiten – egal, ob es um Corona oder andere Erkrankungen geht?
Der Patient sollten sich vorher klar machen, was er will und was nicht. Bewährt hat sich eine Art Spickzettel, auf dem notiert wird, was unbedingt zur Sprache kommen sollte. Außerdem ist es immer gut, jemanden mit ins Gespräch zu nehmen, wenn es darum geht, einen Behandlungsfahrplan zu erstellen. Denn vier Ohren hören mehr als zwei. Außerdem ist es sinnvoll, den Arzt oder die Ärztin als Partner wahrzunehmen – nicht als jemanden, der einem etwas sagt und dessen Anweisungen man einfach befolgt oder im schlimmsten Fall nicht, weil man nicht verstanden hat, was zu tun ist oder warum das sinnvoll ist. Also unbedingt nachfragen, wenn man etwas nicht verstanden hat oder unklar ist, warum beispielsweise bestimmte Tabletten länger genommen werden sollten als die Symptome zu spüren sind.
Und bei insbesondere chronischen Erkrankungen gehört es leider dazu, dass man seine Geschichte jedem Arzt neu erzählen muss. Viele Patienten finden genau das verwirrend. Aber es ist einfach so: Aus verschiedenen Gründen gucken die Ärzte nicht jedesmal in die Akten, und damit der Patient verstanden und gut behandelt wird, muss er seine Krankheitsgeschichte immer wieder schildern.
Danke für das Gespräch.
Für die Studie suchen Sonia Lippke und ihr Team Teilnehmende. Jeder, der als Patient oder Angehöriger im Krankenhaus war, kann mitmachen – hier finden Sie den Link zur Studie. Genauso natürlich Pflegepersonal. Auch wenn diese Berufsgruppe momentan sehr eingespannt ist. Hier kommen Sie zu einer Umfrage zu Sicherheit und Kommunikation im Krankenhaus für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Für das (anonyme) Ausfüllen des Bogens reichen knapp zehn Minuten. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Sonia Lippke
Sonia Lippke lehrt und forscht seit 2011 als Professorin für Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin an der Jacobs University Bremen. Sie interessiert sich für Einsamkeit, Gesundheit und Wohlbefinden insbesondere in sozialen Netzwerken und in Zeiten der Digitalisierung. Derzeit führen sie und Kolleginnen eine Studie durch zum Thema „Kommunikation im Gesundheitswesen“. Mehr dazu in unserem nächsten Interview.
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