Wie ausgeschlossen ich mich in meiner ersten Yogastunde gefühlt habe, daran erinnere ich mich noch genau. Eine Freundin hatte mich mitgeschleppt. Und da saß ich auf der Matte und verstand bei all dem Om-Gesinge und Gerede von Ujjayi-Atmung: nichts. Während ich immer ein paar Sekunden später als alle anderen meinen Po in Richtung Decke oder meinen Kopf zum Knie drückte, kam ich mir nur noch blöder vor. Und während ich bei der Vorbeuge die Hände nur kurz unter das Knie bekam, lagen bei meiner Mattennachbarin beide Handflächen komplett auf dem Boden.
Dass ich nicht aufgab, ist meiner Freundin zu verdanken, die mein Jammern ignorierte und mich mit einigem Nachdruck weiter mitschleppte, weil sie überzeugt war, dass Yoga genau das Richtige für mich und mein hektisches Leben wäre. Wann genau es klick gemacht hat, weiß ich gar nicht mehr so genau. Irgendwann zwischen der zehnten und 20. Yogastunde war ich plötzlich verknallt. Hatte Sehnsucht, wenn ich es mal nicht schaffte hinzugehen, und Glücksgefühle auf der Matte, wenn ich da war. Seitdem bekomme ich eigentlich nie genug.
Und ich begriff endlich, warum Yoga ein seit Jahren stetig wachsender Trend ist, der etwa 2,7 Millionen Deutsche regelmäßig begeistert (darunter auch 300.000 Männer): weil es nicht darum geht, was die anderen können, sondern nur um einen selbst. Und das ist – obwohl dies nur eine gefühlte Wahrheit ist, die ich nicht belegen kann – sicherlich auch der Grund, warum es vor allem Menschen ab 40 auf die Matte zieht, die entweder die ersten körperlichen Einschränkungen bemerken oder in der Lebensmitte damit hadern, was sie eigentlich wollen. Yoga trifft offensichtlich den Zeitgeist: In unserer hektischen Leistungsgesellschaft wollen wir entschleunigen und wieder mehr auf unsere Bedürfnisse hören.
Was übrigens ganz eindeutig belegt ist: dass Yoga sehr viele positive Wirkungen hat. Es senkt die Konzentration des Stresshormons Cortisol im Blut und hebt die Serotonin- und Melatoninlevel (also die der Glücks- und Schlafhormone), so eine Untersuchung der Universität Oxford. Andere Universitäten von Göttingen bis Hongkong konnten zeigen: Auch bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen wirken Yogaübungen positiv, außerdem verbessert Yoga die Wirbelsäulenbeweglichkeit und kann Asthmabeschwerden lindern, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
„Wenn wir uns auf Yoga einlassen und es uns genau anschauen, holt es das Beste aus uns heraus. Es vertieft Beziehungen: zu uns, zum Partner und zur Umwelt“, sagt der Psychologe und Yogalehrer Dr. Patrick Broome. Gleichzeitig warnt er: „Yoga ist kein Wundermittel. Es stärkt den Rücken, verbessert die Beweglichkeit und reduziert Stress. Mir ist in 20 Jahren Praxis aber niemand über den Weg gelaufen, der seine psychischen Probleme nur mit Yoga gelöst hat. Dazu braucht man einen Therapeuten.“
Was mir am Yoga ganz persönlich so sehr gefällt: Man findet dort genau das, was man gerade sucht. Stabilität, wenn die Körperspannung niedrig ist. Beweglichkeit, wenn die Muskeln verkürzt sind. Entspannung, wenn der Stress einen überwältigt. Innere Ruhe, wenn der Geist herunterkommen will (mein Hauptfokus!). Eine Verbindung zum Körper, wenn man sich nicht gut spürt. Und auch zu den Gefühlen, die manchmal bei all dem Hetzen und Müssen verschüttet sind. Und plötzlich passiert etwas Wunderbares: Man ist wieder ganz bei sich.
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