Objektophilie: Kann ich mich in ein Flugzeug verlieben, Kathrin Ahäuser?

Dass Liebe gut für Körper und Geist und damit gesund ist, gilt als erwiesen. Das ist bei Menschen, die sich in Objekte verlieben, nicht anders.

Objektophilie: Kann ich mich in ein Flugzeug verlieben, Kathrin Ahäuser?

Ob Flugzeug, Drehmaschine oder Flipper: Objektliebe oder auch Objektophilie kann viele Formen haben. Bild: ©iStock/aapsky

Frau Ahäuser, Sie sind Fotografin und porträtieren Menschen, die sich in Dinge verlieben. Wen haben Sie bei Ihrer Recherche kennen gelernt? 

Denise zum Beispiel: Als ich sie traf, lebte sie in einer WG im Ruhrgebiet, und in ihrem Schlafzimmer standen drei Flipper. In einen von ihnen, in den Automaten „Demolition Man“, ist sie verliebt und mit ihm zusammen. 

Wie kam es dazu? 

Denise hat irgendwann angefangen, hobbymäßig Flipper zu spielen. Als sie „Demolition Man“  reparieren musste und der Maschine dadurch näher kam, hat sie sich in ihn verliebt. Sie mag an ihm besonders das Spielfeld, das so schön blinkt und leuchtet. 

War Denise vorher schon einmal in ein Objekt verliebt? 

Ja. Sie war mit einer Drehmaschine liiert, die sie während ihrer Ausbildung als Industriemechanikerin kennen gelernt hatte. Die meisten, mit denen ich gesprochen habe, hegten seit ihrer Kindheit Gefühle für Objekte. Aber ich denke, man kann es nicht verallgemeinern.

Wie sieht denn der Beziehungsalltag bei Menschen aus, die mit einem Objekt zusammen sind? 

Auch hier kommt es darauf an, zum Beispiel darauf, ob das Objekt in der Nähe ist oder nicht. Michèle hatte sich beispielsweise in den Flugzeugtypen Boeing 737-800 verliebt. Sie ist dann regelmäßig an den Flughafen gefahren, wo sie dem Flugzug ihres bevorzugten Typs näher sein konnte, manchmal ist sie Kurzstrecken mit ihm geflogen. Grundsätzlich aber sagten alle, dass sie eine große Verbundenheit zu den Objekten verspüren. Sie sprechen mit ihnen. 

Und haben Sex?

Auch das. Für die einen spielte das körperliche eine große Rolle, für die anderen war es eher nebensächlich. Michèle hatte sich mit dem Flugzeugtypen in ein eher unerreichbares Objekt verliebt. Sie hatte sich dann einen Flugzeugträger besorgt und ihn stellvertretend in ihrer Nähe.

War es schwer, Menschen zu finden, die Dinge lieben? 

Es war ziemlich einfach. Ich habe über ein Internetforum jemanden kennen gelernt, der in seinen Kühlschrank verliebt war. Er konnte mir dann weitere Kontakte vermitteln. Die Menschen waren überwiegend sehr offen, und es waren damals genauso viele Frauen wie Männer.

Objekte betrügen nicht, verlassen nicht und zetteln keinen Streit an. Gehen Menschen durch Objektliebe komplizierten Beziehungen und Auseinandersetzungen aus dem Weg?

Den Eindruck hatte ich nicht. Mir kam es eher wie eine Spielart der Natur vor oder ein Zufall. Manche Beziehungen waren auch sehr beständig. Sonnili beispielsweise, eine Frau aus Greifswald, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, hatte sich in ihrem Leben nur in einen einzigen Gegenstand verliebt, in ein Notenpult namens Sonni. Mit dem lebt sie schon seit mehr als zehn Jahren zusammen. Sie hatte das Pult im Alter von sechs Jahren erstmals gesehen und sich verliebt. Dann verlor sie es aus den Augen und begegnete ihm nach 40 Jahren in einer Musikschule in Greifswald wieder. Sie hat dann mit der Schulleitung gesprochen und durfte es austauschen und mit nach Hause nehmen. 

Die meisten Menschen, die Dinge lieben, wirken in Ihren Fotos und Videoaufnahmen sehr glücklich. 

Ja, das stimmt. Ich hatte bei allen das Gefühl, dass sie in ihrer Beziehung aufgehen und sich wohl fühlen. 

Der so gesund-Tipp:

Ausstellung: „Liebes Ding – Object Love“, Museum Morsbroich in Leverkusen. (Link: https://www.museum-morsbroich.de/index.php?id=vorschau)  Zu sehen bis zum 26. April 2020

Objektsexualität, Objektophilie, Objektliebe: Was ist das?

Objektsexuelle treffen vorab keine Entscheidung für einen bestimmten Gegenstand – sie verlieben sich einfach, wie jeder andere auch. Das Objekt dient nicht als Mittel zur sexuellen Befriedigung wie etwa ein Vibrator. Es handelt sich um ein einziges Objekt, das nicht durch ähnliche ausgetauscht und auch nicht zwangsläufig besessen werden kann. Mit einem sexuellen Fetisch hat Objektsexualität daher nichts zu tun.

Zur Person: Kathrin Ahäuser

Kathrin Ahäuser

Kathrin Ahäuser

Kathrin Ahäuser, Jahrgang 1986, lebt als Fotografin in Dortmund. Für das Projekt „Du liebes Ding!“ begleitet sie seit 2012 objektsexuelle Menschen. Wir haben außerdem über ihr Multimediaprojekt „Pille Palle“ berichtet, in dem es um die Auswirkungen der Antibabypille geht.

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