Psychische Erkrankungen: Männer leiden anders

Allein in Deutschland erkranken jährlich mehr als zwei Millionen Männer an einer Depression. Bei ihnen drückt sich die Krankheit anders aus als bei Frauen. Das eigentliche Problem bleibt deshalb oft unerkannt.

Psychische Erkrankungen: Männer leiden anders

Männer erleben Depressionen anders als Frauen. Deshalb bleiben sie oft unerkannt. Bild ©iStock/Rawpixel

„Statt sich wie Frauen eher antriebslos und traurig zurückzuziehen, neigen Männer mit Depressionen verstärkt zu mürrischem, aggressivem und wütendem Verhalten“, erklärt Dr. med. Iris Hauth, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie Ärztliche Direktorin des Alexianer St. Joseph Krankenhauses in Berlin-Weißensee. Viele stürzen sich hyperaktiv in die Arbeit oder machen übertrieben viel Sport. Probleme werden totgeschwiegen und in Alkohol ertränkt: „Trotz 40 Jahren Gleichberechtigung kommen hier Stereotype zum Vorschein, die das klassische Rollenmuster bedienen: Ein starker Mann weint nicht, darf sich keine Schwächen erlauben, schon gar keine psychische Krankheit.“ Die Folgen wären mit einem Status-, Männlichkeits- und Identitätsverlust verbunden: Typisch maskuline Denkweisen sind nach wie vor, Pflichtbewusstsein zu zeigen und funktionieren zu müssen.

Irreführende Diagnosen?

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird eine Depression diagnostiziert, wenn Antriebslosigkeit, Interessenverlust, traurige Stimmung und Angst mehr als zwei Wochen extrem ausgeprägt sind. Das Aufwachen wird zur Qual, Zähneputzen, Einkaufen, Saubermachen: mit größter Anstrengung verbunden. Daneben sind Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Probleme und andere körperliche Symptome die Auswirkungen. „Die Hypothese ist, dass die Symptome einer Depression bei Männern signifikant seltener erkannt werden, weil sie sich anders bemerkbar machen“, sagt Dr. med. Hauth. Hinzu kommt, dass es Männern schwerer fällt als Frauen, über ihren Gemütszustand zu reden. Bis sich Männer jedoch eingestehen, ein ernstes seelisches Problem zu haben und endlich zum Arzt gehen, ist es oft schon zu spät. Gedanken treten auf wie: „Wenn ich keinen Sinn mehr im Leben sehe, was soll ich dann noch hier?“

Tödliche Tatsachen: Männer und Suizid

132 Männer pro Woche nehmen sich in Deutschland aufgrund von Depressionen das Leben. (Quelle: Deutsche Depressionshilfe). Die Trennung von der Partnerin und den Kindern, Scheidung, Jobverlust und die Berentung spielen eine große Rolle: „Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, steigt in Lebensphasen wie Pubertät oder zum Rentenbeginn. Bei der Arbeit hatten sie das Gefühl, von Bedeutung zu sein. Es ist vor allem schlimm, wenn sie ihnen Spaß machte. Und: Gerade ältere Männer leiden darunter, im Alter einsam zu sein.“ Dabei gibt es Hilfe und – statt Suizid – andere Auswege.

Anlaufstellen bei Depression

  • Telefonseelsorge: Kostenlose, anonyme Beratung rund um die Uhr, Tel.:0800-1110111oder0800-1110222
  • Deutsche Depressionshilfe: Kostenlose, anonyme Beratung. Mi und Fr, 8.30 bis 12.30 Uhr sowie Mo, Di und Do, 13 bis 17 Uhr. Tel. 0800 – 33 44 533. Die Deutsche Depressionshilfe bietet online einen Selbsttest, eine Übersicht zu regionalen Angeboten und vieles mehr auf www.deutsche-depressionshilfe.de
  • Kinder- und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer“: Kostenlose Beratung von Mo bis Sa, 14 bis 20 Uhr, Tel. 116 111. Elterntelefon: Mo bis Fr, 9 bis 11 Uhr sowie Di und Do, 17 bis 19 Uhr unter 0800-1110550
  • Ärztlicher Bereitschaftsdienst der Krankenkassen: 116 117
  • Ambulanz der psychiatrischen Abteilung einer Klinik vor Ort – in jedem Fall bei Suizidgedanken
  • konkrete Hilfe vor Ort in über 80 Städten und Regionen bietet das Deutsche Bündnis gegen Depression
  • Einen Erfahrungsaustausch für Betroffene und Angehörige bietet das Diskussionsforum Depression Beratung und Selbsthilfegruppen speziell für Angehörige bietet das Psychiatrienetz BApK
  • Wo Sie eine Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe finden, erfahren Sie bei der NAKOS (Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen),
    Tel.: (030) 3101 8960

Buchtipp:
Prof. Anne Maria Möller-Leimkühler: „Vom Dauerstress zur Depression – Wie Männer mit psychischen Belastungen umgehen und sie besser bewältigen können“ Verlag fischer & gann, 22,99 €, ISBN: 978-3-903072-33-6

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