„Statt sich wie Frauen eher antriebslos und traurig zurückzuziehen, neigen Männer mit Depressionen verstärkt zu mürrischem, aggressivem und wütendem Verhalten“, erklärt Dr. med. Iris Hauth, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie Ärztliche Direktorin des Alexianer St. Joseph Krankenhauses in Berlin-Weißensee. Viele stürzen sich hyperaktiv in die Arbeit oder machen übertrieben viel Sport. Probleme werden totgeschwiegen und in Alkohol ertränkt: „Trotz 40 Jahren Gleichberechtigung kommen hier Stereotype zum Vorschein, die das klassische Rollenmuster bedienen: Ein starker Mann weint nicht, darf sich keine Schwächen erlauben, schon gar keine psychische Krankheit.“ Die Folgen wären mit einem Status-, Männlichkeits- und Identitätsverlust verbunden: Typisch maskuline Denkweisen sind nach wie vor, Pflichtbewusstsein zu zeigen und funktionieren zu müssen.
Irreführende Diagnosen?
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird eine Depression diagnostiziert, wenn Antriebslosigkeit, Interessenverlust, traurige Stimmung und Angst mehr als zwei Wochen extrem ausgeprägt sind. Das Aufwachen wird zur Qual, Zähneputzen, Einkaufen, Saubermachen: mit größter Anstrengung verbunden. Daneben sind Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Probleme und andere körperliche Symptome die Auswirkungen. „Die Hypothese ist, dass die Symptome einer Depression bei Männern signifikant seltener erkannt werden, weil sie sich anders bemerkbar machen“, sagt Dr. med. Hauth. Hinzu kommt, dass es Männern schwerer fällt als Frauen, über ihren Gemütszustand zu reden. Bis sich Männer jedoch eingestehen, ein ernstes seelisches Problem zu haben und endlich zum Arzt gehen, ist es oft schon zu spät. Gedanken treten auf wie: „Wenn ich keinen Sinn mehr im Leben sehe, was soll ich dann noch hier?“
Tödliche Tatsachen: Männer und Suizid
132 Männer pro Woche nehmen sich in Deutschland aufgrund von Depressionen das Leben. (Quelle: Deutsche Depressionshilfe). Die Trennung von der Partnerin und den Kindern, Scheidung, Jobverlust und die Berentung spielen eine große Rolle: „Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, steigt in Lebensphasen wie Pubertät oder zum Rentenbeginn. Bei der Arbeit hatten sie das Gefühl, von Bedeutung zu sein. Es ist vor allem schlimm, wenn sie ihnen Spaß machte. Und: Gerade ältere Männer leiden darunter, im Alter einsam zu sein.“ Dabei gibt es Hilfe und – statt Suizid – andere Auswege.
Buchtipp:
Prof. Anne Maria Möller-Leimkühler: „Vom Dauerstress zur Depression – Wie Männer mit psychischen Belastungen umgehen und sie besser bewältigen können“ Verlag fischer & gann, 22,99 €, ISBN: 978-3-903072-33-6
KOMMENTARE