Das irritierende Gefühl, wenn einem schwindelig ist, kennt nahezu jeder. In der Regel geht dieser Zustand auch recht schnell und von alleine wieder weg. Manchmal aber bleibt er – und dieses „manchmal“ ist gar nicht so selten, weiß Michael Strupp, Professor für Neurologie vom Deutschen Schwindel- und Gleichgewichtszentrum des Ludwig-Maximilian Universitätsklinikums in München.
„Tatsächlich entwickelt gut jeder dritte Mensch in Deutschland im Laufe seines Lebens mindestens einmal einen behandlungsbedürftigen Schwindel“, erklärt Strupp. Warum behandlungsbedürftig? Tritt der Schwindel beispielsweise in Attacken auf, besteht erhöhte Sturzgefahr. Manchmal fühlt man sich auch über Tage schwindelig. In diesen Fällen ist den Betroffenen oft übel, manche müssen sich gar übergeben und ziehen sich von Freunden und Bekannten zurück.
Schwindelig: Gefühl geht oft vom Innenohr aus
Die Ursachen, warum Schwindel auftritt, sind unterschiedlich. Am häufigsten wird er durch Irritationen des Innenohrs ausgelöst. Prominentestes Beispiel ist der sogenannte Lagerungsschwindel, bei dem es zu kurzen Schwindelattacken bei Lageänderungen kommt. Dafür verantwortlich sind die sogenannten Otokonien, winzige Kristallsteinchen, die sich im Vorhof der Bogengänge unseres Innenohrs befinden. Die Bogengänge, drei miteinander verbundene, mit Flüssigkeit gefüllte Schläuche, helfen unserem Gleichgewichtsorgan, Drehbewegungen zu verarbeiten. „Geraten die Kristallsteinchen – etwa beim Umdrehen im Bett – in einen der Bogengänge“, erklärt Strupp, „reizen sie die dort sitzenden Sinneszellen, und diese signalisieren unserem Gehirn Drehschwindel.“
Attacken in Schüben: Morbus Menière
Ein andere Ursache für Schwindel ist der Morbus Menière. Menière-Attacken treten meist in Schüben auf. Manche dauern lediglich Sekunden, andere mehrere Stunden bis hin zu einem Tag. Neben dem anfallsartigen Drehschwindel sind die beiden typischen Begleitsymptome eine einseitige Hörminderung sowie ein nerviger Tinnitus.
Die Menière-Anfälle scheinen ihren Ursprung ebenfalls im Innenohr zu haben. „In den Schlauchsystemen unseres Innenohres haben wir zwei Flüssigkeiten mit unterschiedlicher Zusammensetzung, die unsere Sinneszellen umgeben“, erklärt Jens-Eduard Meyer, Chefarzt der Asklepios-Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie in Hamburg St. Georg. „Können diese nicht mehr richtig abfließen, kommt es zu einem Überdruck, die Schlauchsysteme zerreißen und durch den Flüssigkeitsausgleich wird uns schwindelig.“ Warum genau es zu dieser Druckerhöhung kommt, ist nicht bekannt.
Schwindelig? Auch die Psyche kann schuld sein
Manchmal ist unser Gleichgewichtsorgan jedoch auch vollkommen unschuldig. Der sogenannte psychogene Schwindel hat beispielsweise nichts mit unserem Innenohr zu tun. „Wie der Name schon sagt, liegt die Ursache dieses Schwindels in der Psyche“, erklärt Neurologe Strupp. Beispielhaft sind hier zum Perfektionismus neigende Menschen, die ihr Gehen beziehungsweise ihre Balance zu sehr beobachten. „Denn je stärker ein Mensch seine Bewegungen überwacht, desto unsicherer fühlen sich seine Schritte plötzlich an“, so Strupp.
Ausgelöst werden kann so eine Art der Selbstüberwachung etwa durch einen vorangegangenen Sturz oder mal erlebten Schwindel. Ursprünglich diente die Selbstbeobachtung also dazu, die Kontrolle über den Körper nicht noch einmal zu verlieren. Aber auch Angststörungen können einen psychogenen Schwindel auslösen.
Wann ein Krankenhausbesuch ansteht
Setzt der Schwindel plötzlich ein und gesellen sich zu dem Gefühl etwa Lähmungen, Gefühls- und Schluckstörungen dazu oder sehen Betroffene doppelt, sollten sie auf jeden Fall sofort ins Krankenhaus, so Strupp. Denn diese Symptome deuten auf einen Schlaganfall hin. Länger dauernder Schwindel kann durch Störungen des Kleinhirns auftreten, findet sich aber auch bei Patienten mit Parkinson oder anderen neurodegenerativen Erkrankungen.
Schwindel lässt sich in der Regel gut behandeln
In den meisten Fällen ist Schwindel jedoch nicht lebensbedrohlich – „und ist die Ursache geklärt, lässt er sich tatsächlich recht gut behandeln“, gibt Strupp Entwarnung. Wichtig hierfür ist, dass der Betroffene seinem Arzt seine Beschwerden möglichst genau beschreibt. Dazu gehören: der zeitliche Verlauf („Wie lange ist Ihnen schon schwindelig?“), die Art des Schwindels („Wie fühlt er sich an?“), mögliche Auslöser oder Verstärker sowie begleitende Beschwerden.
In den seltenen Fällen, in denen der Arzt keine Ursache finden kann, „können sogenannte Schwindelsprechstunden helfen“, rät HNO-Arzt Meyer. Hier haben die Ärzte sich auf die interdisziplinäre Diagnostik und Behandlung von Schwindel spezialisiert. Es hilft Patienten, wenn sie die Ursache des Schwindels kennen. Zu wissen, woher das Phänomen kommt, wirkt entlastend und kann helfen, den Schwindel zu lindern.
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