Frau Knopf, Sie sind in Remission. Was genau bedeutet das?
Remission bedeutet, ich habe keine Symptome, ich bin schub- und entzündungsfrei. Das Rheuma hat sich sozusagen schlafen gelegt. Diese Nachricht habe ich im Sommer erhalten, als mein Augenarzt keine Entzündungen mehr fand, stattdessen eine achtzigprozentige Sehkraft auf beiden Augen feststelle. Dazu muss man sich vorstellen, dass ich noch vor rund einem Jahr auf dem linken Auge nur zehn Prozent sehen konnte. Es war eine unbeschreibliche Freude und Erleichterung! Trotzdem hat es noch ungefähr einen Monat gedauert, bis ich mir der Tragweite dieser Botschaft wirklich bewusst geworden bin. Ich musste erstmal wieder lernen, wie das überhaupt geht: gesund sein.
Sie leben ja bereits Ihr ganzes Leben mit rheumatoider Arthritis. Kam die Remission überraschend?
Keine Schübe mehr zu haben ist schon das Ziel jeder Therapie, und Phasen der Entzündungsfreiheit gibt es immer. Vielleicht bemisst sich für die Schulmedizin der Erfolg der Remission in der Dauer der Entzündungsfreiheit. Gleichzeitig ist ein gewisses Maß an Entzündung im menschlichen Körper ganz normal, das ist das natürliche Gleichgewicht. Ich hatte meine Remission gefühlt, denn ich konnte schon einige Zeit lang wieder ohne Schmerzen in die Sonne schauen – da wusste ich, ich heile.
Haben Sie auch vor der Remission eine konkrete Erfahrung mit Selbstheilungskräften gemacht?
Ja, allerdings. Vor zwei Jahren hatte ich einen Rheumaknoten am Sprunggelenk, der selbst nach zwei Injektionen Kortison nicht weggehen wollte. Etwas in mir war sich aber sicher: Wenn er von allein gekommen ist, dann geht er auch von alleine weg. Diesen Gedanken habe ich verinnerlicht – und heute ist der Knoten verschwunden. Sehr zum Erstaunen meines Orthopäden, denn er kann es sich nicht erklären.
Was haben Sie gemacht, um Ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren?
Erstmal das, was sich jeder vorstellen kann: Bewegung, Ernährung, Supplemente. Ich war dreimal in der Woche fünf Kilometer beim Nordic Walking, außerdem habe ich mich nach dem strikten Ernährungsplan, den ich unter der hohen Kortisontherapie einhalten musste, einem intuitiven und achtsamen Essen zugewandt; das bedeutet, ich habe bewusst auf die Signale meines Körpers gehört und habe ihm vertraut, dass er weiß, wann welche Menge Essen für ihn gut ist. Zusätzlich habe ich meinen Körper mit Basenbädern und Heilerde bei der Genesung unterstützt. Das ist die physische Seite. Viel bahnbrechender und tiefgreifender war der Umgang mit meinen Gedanken, Gefühlen und Handlungen. Bisher lautete die Frage aller Fragen für mich immer: „Wer bin ich mit dem Rheuma, und wie kann ich so gut wie möglich damit leben?“ Irgendwann, vielleicht vor zwei Jahren, habe ich die Frage umgedreht: „Wenn ich gesund werden will: Wer bin ich ohne Rheuma? Warum brauche ich es überhaupt noch?“ Diese Frage bringt alles ins Rollen, was es für die Selbstheilung braucht. Ich habe mich erstmals getraut, mit einem ganzheitlichen Blickwinkel auf das Rheuma zu schauen.
Welche Bedeutung hat Achtsamkeit in Ihrem Alltag?
Achtsamkeit, also aufgeweckt in jedem Moment durchs Leben gehen, Innen und Außen so bewusst wahrnehmen wie nur möglich – das ist alles für mich. Das ist die Basis, sie macht das Leben magisch. Wenn wir so sind, wird das ganze Leben zur Meditation. Ich richte immer ein Auge nach innen und stelle mir viele Fragen: Wieso wollte ich diese Erfahrung machen? Welche Bedeutung liegt unter der Oberfläche? Wer bin ich dadurch geworden? Wie hat mich das zum Positiven verändert? Was durfte ich lernen – zum Beispiel über mich? Wo sind noch Blockaden? Achtsamkeit ist Selbstliebe. Ich traue mich, hundert Prozent ehrlich zu mir selbst zu sein, mir voll und ganz zu vertrauen. Liebevoll mit mir umzugehen, meinem Herzen zu folgen, absolut Verantwortung für meine Gefühle zu übernehmen, mit meinem Ego zusammenzuarbeiten und meine Glaubenssätze zu erneuern. All das bereitet den Weg, um gesund zu werden.
Wie gehen Sie mit Stress um?
Stress gehört zum Leben dazu und ist nicht per se etwas, das man vermeiden sollte. Positiver Stress beflügelt, doch auch dabei sind Pausen wichtig, in denen man innehalten und sich selbst zuhören kann. Negativer Stress zeigt uns, wo wir nicht im Einklang mit uns sind. Das ist der Stress, den man sich selbst macht, wenn man sich unter Druck setzt, weil man „mithalten“ und „es allen recht machen“ möchte. Und dabei wird man dann rasch ungerecht und lieblos zu sich selbst. Diesen Stress mache ich bei mir für Rheumaschübe verantwortlich. Ich versuche inzwischen immer bewusster mit Stressoren umzugehen und in mich zu schauen: Wo spüre ich den Stress körperlich, welche Gefühle gehen damit einher, was sind die destruktiven Gedanken, die diese Gefühle hochbringen? Ich versuche es anzunehmen, wie es ist und den Stress loszulassen. Manchmal, wenn die Emotionen sehr stark sind, klappt das nicht. Und das ist auch völlig menschlich. Denn ein bewusster Umgang mit Stress ist kein Dogma. Eines hilft dann aber immer: Musik. Sie bringt mich sofort wieder ins Hier und Jetzt und zu mir und erfüllt mich mit positiver Energie.
Was raten Sie chronisch kranken Menschen?
Neben all der Therapiemöglichkeiten, die es gibt, ersetzt nichts die Seelenarbeit: Traut euch, euren Blickwinkel zu verändern – den Blickwinkel auf das Leben und die Krankheit an sich. Raus aus der Opferrolle und aus dem Mangeldenken, was alles nicht mehr geht oder was euch leiden lässt – rein in die Verantwortung für sich selbst, eure Gedanken, Gefühle und Handlungen, ins Fülledenken. Sich die richtigen Fragen stellen. Beispielsweise: Wie kann ich nicht glücklich sein? Ich laufe stark und leicht und ohne Schmerzen auf meinen eigenen Beinen durch die Welt, und ich betrachte ihre Schönheit mit zwei gesunden Augen. Was will ich mehr vom puren Leben? Sich bewusst zu sein, dass es einen sekundären Krankheitsgewinn gibt, das bedeutet, dass die Krankheit auch Vorteile bringt. Abwägen, was ihr wirklich wollt.
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