Anna Gliemer, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Pralinen ohne Industriezucker herzustellen?
Ich leide so lange ich denken kann unter verschiedenen Nahrungsmittelunverträglichkeiten: Ich vertrage kein Gluten, kein Hühnereiweiß und kein Kasein, also kein Eiweiß aus der Milch. Nachdem der Arzt mir das eröffnet hatte, habe ich mich gefragt, was ich überhaupt noch essen kann. Ich bin dann darauf gekommen, zunächst einmal den Zucker wegzulassen, der ja in vielen glutenhaltigen Produkten sowie Lebensmitteln mit Milch steckt. Denn Zucker raubt dem Körper grundsätzlich Energie. Gleichzeitig konnte ich mir nicht vorstellen, mich den Rest meines Lebens mit einer Fruchtschnitte zu vergnügen. Trockenobst auf einer Oblate schmeckt mir einfach nicht so gut. Also habe ich angefangen, meine eigenen Rezepte auszuprobieren.
Ihre Rezepte kommen ohne Industriezucker aus, sind aber nicht zuckerfrei.
Genau. Ich stelle keine Diabetiker- oder Diätprodukte her. Denn in jeder Pflanze, so auch der Dattel oder der Kakaobohne, stecken Kohlenhydrate. Und Kohlenhydrate bestehen aus Zucker. Mein Anspruch hingegen ist, die Zutaten so natürlich zu belassen wie möglich und vor allem Lebensmittel zu verwenden, die man pflücken kann. Ich orientiere mich am sogenannten Paleo-Prinzip. Paleo steht für Paläolithikum und ahmt im weitesten Sinne die Ernährung aus der Altsteinzeit nach.
Warum ist das – vor allem im Hinblick auf den Zucker – gut für den Körper?
Eine Dattel, ein Apfel oder eine Kartoffel sind ein Gesamtpaket aus Zucker und Ballaststoffen, und der Körper kann davon alles bis in die kleinsten Moleküle zerlegen und anschließend verwerten. Anders sieht es bei industriell verarbeitetem Zucker aus – und dazu gehören auch der als relativ gesund geltende Ahornsirup oder der Agavendicksaft. Der Körper verstoffwechselt industriell verarbeiteten Zucker nicht so gut wie natürlichen und lagert viel als Fett ein. Außerdem schießt der Blutzuckerspiegel nach dem Konsum von Industriezucker stärker nach oben als beispielsweise nach Dattelzucker. Grundsätzlich süße ich so wenig wie möglich und gebe oft auch eine kleine Prise Salz hinzu. Dann hat der Körper das Gefühl, es ist süßer, als es ist.
Im Moment stellen Sie in Ihrer Manufaktur in einem Hamburger Gewerbegebiet im Hafen verschiedene Weihnachtspralinen her. Woraus bestehen Ihre Dominosteine?
Dominosteine setzen sich ja aus verschiedenen Schichten zusammen. Die untere besteht traditionell aus Lebkuchen. Hierfür vermische ich Datteln, Rohschokolade, Kokos und verschiedene Lebkuchengewürze. Die Paste, die dann entsteht, streiche ich auf einem Blech aus. Darüber kommen als zweite Schicht Mandelmehl und Honig. Unter die Masse gebe ich außerdem etwas Pflaumenkernöl, dann schmeckt es schön nach Marzipan. Bei der dritten Schicht verwende ich anstelle des Gelees eine Pralinencréme aus überwiegend frischen Datteln, Rohschokolade und Kakao. Nachdem ich alles übereinander geschichtet habe, zerteile ich den Kuchen mit einer Art überdimensionalem Eierschneider in quadratische Türmchen. Für den Schokoladenüberguss mahle ich schließlich Kakaobohnen so lange in einer Walze, bis Fett austritt und eine cremige Konsistenz entsteht. Man kann sich das in etwa so vorstellen wie die Herstellung von Olivenöl. Mit ihr bestreiche ich die kleinen Schichtpralinen. Fertig!
Der Lebkuchen wandert also nicht in den Ofen? Gewöhnlich wird er ja bei ungefähr 200 Grad gebacken.
Genau. Aber meine Pralinen und Kuchen sind alle roh. Auch die veganen Brownies, die zum Beispiel nach Orange oder Zimt schmecken. Da mein Teig ohne leicht verderbliche Produkte wie Milch oder Eier auskommt, ist das Backen oder Kochen nicht nötig. Die meisten meiner Kundinnen und Kunden schmecken gar nicht, dass die Lebkuchen oder andere Kuchen roh sind.
Verraten Sie uns noch ein Weihnachtsrezept?
Aber gerne! Für Zimtsterne vermische ich 100 Gramm Erdmandelmehl, 250 Gramm Dattelmus, zehn Gramm Kokosöl sowie fünf Gramm Zimt. Den Teig rolle ich dann aus, am besten unter einer Tüte, damit es glatt wird und nichts an der Rolle hängenbleibt. Dann müssen die Zimtsterne ausgestochen und in den Kühlschrank gestellt werden. Das war es im Prinzip schon. Wer mag, kann sie noch mit einem Frosting nach Wahl überziehen. Und wer lieber Lebkuchen isst, vermischt 100 Gramm Kokos- oder glutenfreie Haferflocken, 250 Gramm Dattelmus und fünf Gramm Zimt oder Lebkuchengewürz. Anschließend geht man genauso wie bei den Zimtsternen vor. Frohe Weihnacht!
Danke!
Zur Person:
Anna Gliemer
Sie stammt ursprünglich aus Braunschweig und ist die Enkelin einer Köchin. Wegen diverser Nahrungsmittelunverträglichkeiten begann sie, selbst Pralinen herzustellen – besonders zu Weihnachten. Die schmeckten ihrer Familie und ihren Freunden so gut, dass sie 2015 ihre Manufaktur gleem gründete. Ihre Zutaten stammen aus nachhaltigem, biologischem Anbau.
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